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Der beginnende Neuordnungs-Imperialismus – ein Tanz auf dem Vulkan
bei etwas Sonnenschein und Genesis mit „A Trick of the Tail“ (remastert version von 2007)
Wird Trump sich den Panamal-Kanal einverleiben, Grönland gar und Gaza sowieso? Die Meinungen überschlagen sich, wie immer, wenn nur auf die gegenwärtigen Details geschaut wird. Und was wird Russland mit der Ukraine machen? Zu viele offene Fragen? Dann nehmen wir doch noch die VR China hinzu, die außer Taiwan auch 80 Prozent des Südchinesischen Meeres beansprucht. Und während Trump ganz einfach pöbelhaft wirtschaftliche Ansprüche als Begründung geltend macht, da glaubt Russland zu einem ewigen Reich aus dem Mittelalter des Kiewer Rus zurückkehren zu können, und China betrachte Teile ihres Anspruchsgebietes gar als Chinas heiliges Territorium, seit der Antike. Der ideologischen Konstrukte sind viele, wenn es darum geht, Herrschaftsansprüche legitim erscheinen zu lassen. Dem menschlichen Bewusstsein wirkt dabei das „Immer schon-Argument“ besonders plausibel.
Worauf sich übrigens die Palästinenser, um den momentan akutesten Fall zu nennen, nicht berufen können. Im Gegensatz zur jüdischen Bevölkerung Israels gibt es sie eben nicht schon immer. Sie sind schlicht eine Erfindung aus dem ideologischen Werkzeugkasten Jassir Arafats, der sogar Jesus zu einem Palästinenser zu erklären versuchte. So absurd dies auch klingen mag, es ist ein Narrativ, das seither von der Palästinensischen Autonomiebehörde ebenso weiterverbreitet wird, wie von Arabern und westlichen Israelfeinden.
Betrachtet man die Zusammenhänge aber mal außerhalb ideologischer Rechtfertigungs-Narrative, dann fällt auf, dass wir wohl vor dem Beginn einer neuen Imperialismus-Phase stehen, die auch vor der Zerstörung bestehender Nationalstaaten nicht zurückschreckt, ja, sie geradezu zu ihrer Vorbedingung hat. Der europäische Imperialismus, vor und nach dem 19. Jahrhundert, – vornehmlich von Briten und Franzosen ausgehend – denen sich Japan, Italien und das Deutsche Kaiserreich erst spät angeschlossen hatten, brach in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert zusammen. Das Ende des Zweiten Weltkrieges bedeutete dann zugleich das Ende eines halben Jahrtausends kolonialer Ausbeutungs- und Unterdrückungsgeschichte. Als vielleicht wesentlichste Folge konnten sich in den ehemals kolonialisierten Gebieten Nationalstaaten etablieren. Und während die seit Jahrhunderten betriebene Expansion Europas zerbrach, sodass Europa wieder auf Europa schrumpfte, teilten die neuen Supermächte USA und Sowjetunion ihre Einflusssphären unter sich auf und schufen eine neue Weltordnung.
Diese Weltordnung besteht inzwischen nicht mehr. Russland versucht immer noch die Teile wieder einzusammeln, die der Zusammenbruch der Sowjetunion hinterlassen hat, dehnt seinen Einfluss nach Afrika aus und schließt neue Allianzen mit China und Nordkorea. Die USA, nach dem Zusammenbruch des Ostblocks in den 90er Jahren lange das einzige verbliebene Imperium, aber spätestens nach dem Trauma von 9/11 entscheiden geschwächt, unternimmt es, sich seine einstige Stärke wieder großzuschwadronieren und schreckt dabei vermutlich auch vor Verletzungen des Völkerrechts nicht zurück, dass dabei die nationale Souveränität anderer Länder respektiert wird, ist kaum zu erwarten. Sätze wie: „Was soll uns das Völkerrecht, wenn es doch nur dazu dient, demokratische Staaten in ihrem Handlungsspielraum einzuengen, während sich andere nie darum gekümmert haben.“ geben die künftige Richtung vor.
Während also der Untergang der alten Imperien souveräne Staaten entstehen ließ, sind sie heute in Gefahr durch imperiale Neuordnungen zerstört zu werden. Und im einen wie im anderen Fall ging und wird dieser Prozess mit ethnischen Säuberungen einhergehen. Nationale Konsolidierungen und Umgestaltungen sind in der Historie niemals ohne den Versuch der Egalisierung der Bevölkerung erfolgt, wenn nicht durch offenen Genozid, dann mit Vertreibung und Umsiedlung derer, die das vermutlich falsche Genom, die falsche Sprache, Religion usw. haben. Es ist nicht zu erwarten, dass dies in den Fällen, die bevorstehen, anders sein wird.
In allen Fällen wir dies Krieg bedeuten. Für all die im westlichen Europa, die nicht mehr wissen, was Krieg bedeutet, habe ich mir gestattet, ein kleinen literarischen Hinweis diesem Text voranzustellen. Louis-Ferdinand Célines Frühwerk „Krieg“.* Der Autor gilt einigen Leuten zwar als Persona non grata, ein befreundeter Autor nannte ihn „Das widerliche Genie“, aber gleichviel. Widerlich ist nicht der Autor, widerlich ist der Krieg, hier der Erste Weltkrieg, über den Céline in unübertroffener Weise schreibt. Fast alle anderen, die über den Krieg geschrieben haben, haben gelogen.
Und bleiben Sie glücklich
wünscht PHG
* Louis-Ferdinand Céline: „Krieg“, Rowohlt, 2023, ISBN 978-3-498-00356-2, Euro 24,–
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4 Kommentare
ANH
Die Formulierung „Das widerliche Genie“ stammt von mir; ich habe sie als Titel für das dort herunterladbare Hörstück verwendet, das 2003 beim Deutschlandradio Berlin produziert und auch ausgestrahlt wurde. Wer das Stück hört, wird den Titel bereits nach zehn Minuten verstanden haben.
ANH
admin
Nun, das weiß ich doch, lieber Alban. Muss ich Deinen Hinweis so verstehe, dass ich diese Bezeichnung nicht hätte verwenden sollen/dürfen? Falls ja, so bitte ich um kurze Mitteilung. Werde dann diesen Satzteil sofort löschen.
ANH
Neinnein, lieber Peter, die Nennung war und ist komplett in Ordnung. Ich mochte nur auf den Grund hinweisen, den meine Formulierung hatte und hat; ich stehe ja weiterhin dahinter.
admin
Ich hatte Deinen Kontext weggelassen, wollte nur Deinen so schön griffigen Titel. Hoffentlich wird mir verziehen.