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Eine Jenseitsreise

Berlin, Donnerstag, 25. Januar 2018, bei Henzes 
"Royal Winter Music"

Schon am Morgen vor dem Frühstück am Computer gesessen, um ein neues Kapitel zu beginnen. Ich bin seit Tagen im Endspurt, um meine Novelle „Er kommt erst am Abend zurück“ abzuschließen; es fehlen noch die letzten anderthalb Kapitel, sodass ich bis zum Wochenende sicher fertig werden könnte.

Gemeinsam mit den beiden Novellen „Isoldes Liebhaber“ und „Das Licht im Auge“ soll daraus dann ein Band mit drei Novellen werden, etwa 210 Seiten lang, der Isolde-Text wird den Titel abgeben, der Titel der dritten Novelle wird sich vermutlich noch ändern. Nun, man wird sehen; so lange die Arbeit nicht veröffentlicht ist, muss man offen bleiben.

Ich liebe die Form der Novelle sehr, habe auch immer mal wieder Novellen geschrieben, schon als eine Art der Fingerübung über die mittlere Strecke, wenn es mehr als eine Erzählung werden sollte bzw. musste, jedoch das Maß des Romans nicht erreichen konnte. Doch habe ich noch nie eine Einzelpublikation vorbereitet, die ausschließlich Novellen enthält. Ein Novum also für mich.

Der dritte dieser Erzähltexte, an dem ich gegenwärtig noch arbeite, schildert eine Jenseitsreise, den Weg eines Menschen, der auf Totensuche ist, ohne immer zu wissen, was ihm geschieht, wo er sich befindet und wer, vor allem, die Gestalten sind, die ihm auf seinem Wege begegnen.


Seltsam unverständliche Wegweiser scheinen ihn in die Irre  führen zu wollen. Ich bin selbst gespannt, wohin ihn seine Reise letzten Endes führen wird.

„Gehen wie im Traum. Wege, die ich immer wieder verlor, Wege aus Betonplatten, schmale Fußpfade, dann wieder Heidelandschaft, krüpplige Kiefern, Sandboden, verfilzte Dünen, alte umgebrochene Weiden am Straßenrand, Häuser mit Rieddächern, auf deren Wetterseite ich das Moos wachsen sehen konnte. Hin und wieder Menschen, die aber in ständiger Bewegung waren, als huschten sie an mir vorbei. Oder als lebten sie in einer anderen Zeit, zu schnell für mich.“

Es ist dies ein uralter erzählerischer Topos. Selbst als die Geschichte des Sängers Orpheus und seiner Dryade Eurydike geschrieben wurde, war er schon alt, man schaue sich den Gilgamesch-Epos (ca. 3000 v.Chr.) an. Ich habe mich also quasi entschieden, im Gedenken an den Autoren-Kollegen Sîn-leqe-unnīnnī eine gegenwärtige Fassung einer solchen Jenseitsreise zu schreiben.

Um diese Geschichte schreiben zu können, habe ich einige andere Arbeiten, die ich mir ebenfalls fest vorgenommen hatte, zurückstellen müssen. Also etwa den Essay über „Meere“ und die Rezension zu Söllners „Knochenmusik“. Aber das kommt alles noch. Wobei mir vermutlich, auch dies ein Grund, weshalb ich jetzt schnell die Jenseits-Novelle fertig haben möchte, die Fahnenkorrektur der Neufassung von „Calvinos Hotel“ dazwischenkommen wird, die Leander Sukov für das Frühjahr angekündigt hat.

Aber das wird alles noch zu schaffen sein, bevor der letzte Abend kommt. Zumal es, da bin ich sicher, wenn er kommt, ein Abend mit Goldrand sein wird.

Bleiben Sie heiter
wünscht Ihnen PHG

 

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Peter H. E. Gogolin: Erzähler, Roman-Autor, Stücke- und Drehbuchschreiber, Lyriker