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Vom Joggin-Anzug zum Hitler-Gruß

Wiesbaden, Mittwoch, den 21. August 2013, mit dem Ensemble Aventure, das u.a. die Kompositionen
'Light' und 'Reflection' von Thomas Bruttger spielt.

Für jede Ansicht bzw. Meinung findet sich bekanntlich ein Idiot, der sie vertritt. Oder anders ausgedrückt, es findet sich ein Meese, der den rechten Arm hochreißt. Das ist der Grund, warum ich schon seit meiner frühen Jugend immer wieder am Konzept der Demokratie gezweifelt habe. Ich denke, wer sich auch nur eine einzige Minute Zeit nimmt, um darüber nachzudenken, der wird zumindest eine gewisse Sympathie für diese meine Haltung empfinden. Sei es auch nur gefühlt, denn es will ja niemand politisch unkorrekt werden. Oder?

Jonathan Meese, 2008
Jonathan Meese, 2008

Nun gut, das soll so sein, und es geht mir auch, ganz ehrlich gesagt, am Arsch vorbei (ich nehme hier für meinen Gebrauch des Wortes ‚Arsch‘ Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG in Anspruch), aber – ABER !!! – gesagt werden muss es trotzdem. Oder? Oder ist das überhaupt keine politische Meinung? Ist vielleicht das Hochreißen des rechten Armes – entgegegn stupider rechtsradikaler Hoffnungen – gar keine politisch zu interpretierende symbolische Handlung? Handelt es sich vielleicht vielmehr lediglich um eine notwendig hygienische Maßnahme, die erforderlich ist, um die Funktionsfähigkeit des rechten Armes zu fördern und zu erhalten? Damit er nicht abfällt?

Und was hat es eigentlich mit dem immer so schlecht sitzenden Jogging-Anzug von Herrn Meese auf sich? Hätte Hitler das geduldet? Sicher doch nicht! Oder? Nun kann man sich natürlich auf die Position hinausreden, dass schlechter Geschmack Privatsache sei. Aber würde das nicht dazu führen, dass man die schneidigen und stets bis in die letzte Kante geschniegelten Uniformen der Hitlerschen Schergen zu modischen Vorbildern erhebt, die Herrn Meeses unbeholfenen Jogging-Anzüge gewissermaßen in die Lager der Entarteten verweisen?

Ich weiß nicht, da wäre mir Meeses Jogging-Anzug doch sympathischer, obwohl ich selbst eher englischen Tweed trage. Obwohl natürlich zugegeben werden muss, dass Uniformen geil sind, oder? Oder? Der so wunderbar linke 2001 Verlag hat dazu vor Jahren sogar mal einen Bildband rausgebraucht. Ein italienischer Maler, der sich mit der sexuellen Verführbarkeit durch die Macht, ihre Uniformen und Symbole auseinandersetzte. Pah, da passt Meese mit seinen blöden ADIDAS-Streifen auf der Jacke natürlich nicht rein.

Ich danke ihm aber. Wofür ich ihm danke? Ich danke ihm  für etwas viel WICHTIGERES als seine äußerlichen Zufälligkeiten. Ich schreibe das hier in VERSALIEN, weil ich davon ausgehe, dass es sonst nicht gesehen wird. Also nochmals von vorn: Ich danke Herrn Jonathan Meese – ja, wofür nun? !! – für seinen HITLER-GRUß natürlich! Weshalb, wird man mich fragen, wenn man nicht direkt wegläuft, um zu berichten, dass nun auch der Gogolin ein Faschist geworden ist. Und ich antworte, einfach deshalb, weil der Meese euch etwas zeigt, was ihr auch gern möchtet, wozu ihr aber nicht den Schneid habt!

Ich mag mir nämlich gar nicht vorstellen, wie schnell meine Nachbarn wieder ihre Arme hochreißen würden, wenn sich ihnen die Gelegenheit dazu böte. Deshalb bin ich für Meeses Aktionen! Ich begrüße Meese so wie ich die Antigene begrüße, die dem Körper zeigen, gegen was er sich wehren muss. Ansonsten ist das, was Meese da macht, natürlich Blödsinn.

 

 

Peter H. E. Gogolin: Erzähler, Roman-Autor, Stücke- und Drehbuchschreiber, Lyriker

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