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Demjanjuk in München angekommen

Mutmaßlicher NS-Verbrecher soll in Deutschland vor Gericht

John Demjanjuk wird auf dem Burke Lakefront Airport in Cleveland in ein Flugzeug nach Deutschland gebracht. (Foto: AP)

Der aus den USA abgeschobene mutmaßliche NS-Kriegsverbrecher John Demjanjuk ist am Vormittag in München angekommen. Um etwa Viertel neun landete er an Bord eines Lazarettflugzeugs, unmittelbar danach wurde der 89-Jährige von einem Landgerichtsarzt untersucht.

Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft München sagte der Nachrichtenagentur ddp, Demjanjuk werde zunächst in der Krankenabteilung des Münchner Gefängnisses Stadelheim untergebracht.

Vorwurf: Beihilfe zum Mord an 29.000 Menschen

Die Münchner Staatsanwaltschaft wirft Demjanjuk vor, während des Zweiten Weltkrieges als 23-jähriger Wachmann im Vernichtungslager Sobibor im besetzten Polen Beihilfe zum Mord an mindestens 29.000 Juden geleistet zu haben. Der einzige Zweck des Lagers war die sofortige massenhafte Ermordung von Juden. Im Mai 1942 trafen die ersten Züge mit polnischen, österreichischen und tschechischen Juden aus dem Ghetto Lublin ein. Der gebürtige Ukrainer Demjanjuk soll geholfen haben, die Menschen in die Gaskammern zu treiben. Das Amtsgericht München hatte im März dieses Jahres Haftbefehl gegen ihn erlassen. Demjanjuk bestreitet die Vorwürfe.

Die Münchener Justiz ist zuständig, weil Demjanjuk dort zuletzt lebte, bevor er 1952 in die USA ausreiste. In den vergangenen Wochen hatte sich Demjanjuk in den USA vor allem mit Hinweis auf seine schlechte Gesundheit gegen seine Abschiebung gewehrt und sogar den Obersten Gerichtshof in Washington eingeschaltet. Dieser lehnte jedoch einen Stopp der Abschiebung ab.

Weitere Prozesse ähnlicher Art erwartet

Der Leiter der Zentralstelle für die Ermittlung von NS-Verbrechen, Kurt Schrimm, sagte im Südwestrundfunk, im Fall Demjanjuk reiche das Beweismaterial für eine Anklage und für eine Verurteilung aus. Die Staatsanwälte der vor 50 Jahren in Ludwigsburg gegründeten Zentralstelle rechneten mit noch ein oder zwei weiteren Prozessen gegen mögliche Kriegsverbrecher wie Demjanjuk. Fälle ähnlicher Art seien dort lange bekannt.

Am Montag war Demjanjuk von Beamten der US-Einwanderungsbehörde in seinem Haus in Seven Hills abgeholt und zunächst in einem Krankenwagen in deren Amtsräume in Cleveland gebracht worden. Von dort aus war die Chartermaschine in Richtung München gestartet. Demjanjuk wurde auf dem Flug von einem Arzt und einem Pfleger begleitet.

Juden in Deutschland begrüßen die Abschiebung

Das Simon Wiesenthal Center und der Zentralrat der Juden in Deutschland begrüßten die Abschiebung. Die Präsidentin des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, zeigte sich erfreut, dass Demjanjuk nun voraussichtlich der Prozess gemacht werden kann. „Kriegsverbrechen dieser Art (…) verjähren nicht“, sagte sie am Montagabend in den Tagesthemen. „Ich hoffe, dass er seiner gerechten Strafe zugeführt wird.“

Rabbi Marvin Hier, Vorstand und Gründer des Simon Wiesenthal Centers, sagte: „Jetzt muss John Demjanjuk sich endlich der Justiz für die unaussprechlichen Verbrechen stellen, für die er während des Zweiten Weltkriegs verantwortlich war – es wird wahrscheinlich der letzte Prozess gegen einen Nazi-Kriegsverbrecher sein.“

Israelisches Todesurteil 1993 aufgehoben

Demjanjuk war schon 1986 von den USA an Israel ausgeliefert worden, ein Jahr später begann dort sein Prozess. Am 25. April 1988 endete das Verfahren mit einem Todesurteil. Das Sondergericht sprach Demjanjuk wegen der Beihilfe zum Mord an mehr als 800.000 Juden sowie wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und gegen das jüdische Volk schuldig. Er bestritt bis zuletzt, jemals KZ-Wächter gewesen zu sein und bezeichnete sich als Opfer einer Verwechslung.

Nach der Verurteilung tauchten neue Beweise auf, die schon früher bestehende Zweifel an der Identität zu bestätigen schienen. Am 29. Juli 1993 hob das Oberste Gericht Israels das Todesurteil auf: Seine Identität habe nicht einwandfrei geklärt werden können, hieß es. Demjanjuk kehrte später in die USA zurück, wo er als Staatenloser bei seiner Familie in Seven Hills bei Cleveland lebte.

Quelle: www.tagesschau.de

Peter H. E. Gogolin: Erzähler, Roman-Autor, Stücke- und Drehbuchschreiber, Lyriker

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