PROSA
Diese Seite versammelt meine neuen, bisher unveröffentlichten Prosa-Projekte und stellt sie mit Textbeispielen vor.
Als ich ein Kind war, konnte ich fliegen
Als ich ein Kind war, konnte ich fliegen. Mit den Jahren des Älterwerdens, diesem verhängnisvollen Schicksal, dem kein Mensch entgeht, der nicht das unverdiente Glück einer lebenslangen Kindheit geschenkt bekommt, verlor ich diese Fähigkeit mehr und mehr. Sie kehrte nur noch in seltenen Träumen zurück, meist als Warnung, so ich in Gefahr war, mein Eigenstes zu verlieren, oder, wenn ich im Geröll des Alltags versank und meine goldenen Finger von Asche grau wurden.
Aber in der Kindheit, diesen langen Jahren voller Geheimnis und Betrug, in denen es … weiterlesen
Der Junge hinter der Tür
Die wahre Geschichte ist böse und vielfältig
und am Ende unwahr. Warum willst du sie wissen?
Frag nie nach der wahren Geschichte.
Margaret Atwood
Prolog
Da, weit oben, in der Dunkelheit, bewegte sich etwas und hielt ihre Beine fest. Gib die Füßchen her! Umfasste die Knöchel, zog sie mit einem Ruck zum Bettende, sprang dann herunter und hockte sich auf ihre Knie. Sie begann zu schreien, doch ihr Mund öffnete sich nicht, sodass sie den Schrei nur im eigenen Kopf hören konnte, Schreien, wirres Gelächter, Schluchzen und kaltes Kreischen, als glitt sie mit kratzende Fingernägeln über ihre Schiefertafel. Sie konnte nicht mehr atmen. Ihr Atem, die Luft war fort. Eine Hexe, dachte sie, Hexe, Hexe, eine Hexe reitet auf mir, sitzt auf meinen Beinen und reitet auf mir. Auf und ab, Hexe, auf und ab, Hexe, Hexe, auf und ab, eine Hexe, auf und …
Später in der Nacht erwachte sie. Links von ihr blitzte es mit einem flachen Knall, ein flackernder Schein zerriss die Dunkelheit, ließ die Frisierkommode, die Musiker und die tanzenden Frauen auf der Tapete in den Raum treten und wieder verschwinden, … weiterlesen
Der Schattenbruder
Did you ever get the feeling
that the story is too damn real
and in the present tense?
And that everybody is on the stage
and it seems that you’re the only person
sitting in the audience?
Scating away
on the thin ice of a new day …
Ian Anderson
1
Glaubten wir nicht, dass der Hintergrund und Ablauf unseres Lebens vernünftig, normal und sicher sei, es wäre kaum zu ertragen, dass wir Tag für Tag neu beginnen müssen, als sei nichts geschehen und nichts stände uns drohend bevor. Wir leben wie die Zuschauer im Zirkuszelt, die mit einem warmen Kissen unter dem Hintern den gewagten Schwüngen der Akrobaten am Trapez zuschauen und nicht begreifen, dass es sie selbst sind, die dort um ihr Gleichgewicht kämpfen. Ihr behagliches Zuschauen ist bloß der täuschend lange Moment vor dem bevorstehenden Absturz.
Was uns erwartet, verrät kein Kalender. Die Zukunft verbirgt sich in einem täglich Einerlei, aber wenn es geschieht und wir danach in den Spiegel sehen, dann erkennen wir uns schon nicht mehr mehr. …weiterlesen
Weiterlesen: PROSA