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Gemeinsam „Zettels Traum“ neu lesen

Als ich vor Jahrzehnten mein erstes Exemplar von Arno Schmidts Großbuch „Zettels Traum“ kaufte, da war es die siebenbändige Studienausgabe in braunem Leinenschuber. Sie ging mir Jahre darauf mit der gesamten Bibliothek verloren. Da war sie noch nicht ein einziges Mal vollständig gelesen. Und ausgelesen sowieso nicht, denn das ist bei solch einem Weltersatz in Form eines Buches naturgemäß ganz unmöglich.

Jetzt habe ich das Ausnahmewerk nochmals geschenkt bekommen, einbändig, 1330 Seiten stark, das Faksimilie im DIN A3 Format. Und das will ich jetzt doch nochmals angehen, bevor irgendwann einmal die neue Bargfelder Ausgabe erscheint, die mir dann vermutlich all die handschriftlichen Anmerkungen, Streichungen und Änderungen von AS nimmt und durch eine Druckfassung ersetzt, die damals beim ersten Erscheinen 1970 nicht möglich war.

Doch es sei gleich betont, dass es mir nicht um eine Lektüre geht, wie sie allenthalben in den ersten Jahren nach Erscheinen betrieben wurde, als man eine Art von Freak sein musste, um sich an die elitäre Aufgabe des Dechiffrierens einer Geheimschrift zu machen. Ich gebe es zu, ich habe es damals auch so gemacht, habe ebenfalls den „Bargfelder Boten“ gelesen, in dem die Erleuchteten ihre Erkenntnisse absonderten und am Ende wohl gar den gleichen Korn tranken, den der Meister angeblich in größeren Mengen zu sich genommen hatte, während seiner nächtlichen Schreiborgien. Zumindest enthielt der Bargfelder Bote bald Anzeigen, in denen „Der Schnaps des Arno Schmidt-Forschers“ angeboten wurde. Wir waren wohl damals alle irgendwie irre.

Diese Art der Lektüre meine ich also nicht – und schon gar keinen Abklatsch davon. Ich möchte vielmehr eine Lektüre versuchen, die man vielleicht als die Lektüre eines „Normallesers“ bezeichnen könnte. Eine Lektüre, die zwar nicht davor zurück schreckt, mal ins Lexikon zu schauen, wenn man etwas nicht versteht, für die man aber kein Spezialist sein muss. Ich will eine Lektüre, die Spaß macht und mit Phantasie betrieben wird, eine, die auch mal sagt, okay, das lass ich erstmal so stehen, damit ich im Text weiter gehen kann, vielleicht erschließt sich ja später etwas von dem, was ich jetzt noch undurchsichtig finde usw. Ich bin sicher, dass eine solche Lektüre mit Gewinn möglich sein muss, denn alle anderen Bücher Arno Schmidts, auch die des Spätwerks, also „Die Schule der Atheisten“, „Abend mit Goldrand“ und „Julia, oder die Gemälde“, habe ich mit großem Vergnügen und intellektuellem Gewinn lesen können. Wäre dies bei „Zettels Traum“ nicht möglich, so bliebe das Buch ein literarische Abseitigkeit für Spezialisten. Und das ist es nicht, zumindest will ich das nicht glauben.

Also, eine normale Lektüre. Und auch sonst möchte ich an diesem Backstein von einem Buch nicht zum Schwerstarbeiter werden. Deshalb nehme ich mir im Prinzip nur eine einzige Seite pro Tag vor. Die Gesamtlektüre wird also auf jeden Fall etwa 4 Jahre beanspruchen. Bereichert und gestützt werden sollte diese Lektüre – und jetzt kommt das ‚Gemeinsam‘ aus der Überschrift – indem ich mir wünsche, dass möglichst viele Leser sich anregen lassen und dabei mitmachen. Facebook und Twitter könnten dafür die geeigneten Kommunikationsmittel sein, um sich laufend über die Lektüreergebnisse auszutauschen, um über Lektürelust miteinander zu plauschen und sich den Lektürefrust vielleicht von einem Mitkämpfer relativieren zu lassen. Und vielleicht kommt man ja hin und wieder auch zu gemeinsamen Ergebnissen, auch wenn jeder natürlich wie immer das eigene Buch liest und das Kino im Kopf dabei nie den selben Film spielt wie beim Nachbarn.

Bis zum Ende des Monats Januar könnten sich vielleicht so viele Leser zusammengefunden haben, dass es sich lohnen würde, mit der Lektüre zu beginnen. Ich werde schauen, dass ich bis dahin eine eigene Facebook-Gruppe dafür einrichte, sodass der Austausch zu jeder Zeit gewährleistet ist. Okay, so weit vielleicht mal – ich freue mich drauf!

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Peter H. E. Gogolin: Erzähler, Roman-Autor, Stücke- und Drehbuchschreiber, Lyriker