Literatur

Langsames Wiedererwachen

Donnerstag, 31. März 2022, bei endlich wieder Musik, hier den 24 Preludien und Fugen von Dimitri Shostakovich, am Piano Keith Jarrett – mit Dank für die wunderbare Aufnahme an Alban Nikolai Herbst
Wer taub, blind und stumm ist,
lebt hundert Jahre in Frieden.

Sizilianische Sprichwort

Die Woche widerspenstig und kräftezehrend, mit Fahrten zum Passamt und Arztbesuch, wonach ich gar nochmal ins Bett musste, um Schlaf nachzuholen, dazu dann der erneute Einbruch des kalten Regenwetters. Trotzdem fühlte ich mich am gestrigen Nachmittag so weit wieder hergestellt, dass ich mit der Arbeit an einem neuen Roman begann. Natürlich bin ich jetzt erst in der Phase der Materialsammlung, womit ich vermutlich auch für den Rest des Jahres noch beschäftigt bleiben werde. Ich muss so viel Sekundärliteratur verarbeiten, wie noch nie in meinem Autorenleben. Als Leitwort für die Arbeit an diesem Stoff dient mir ein Satz von Stanislaw Szukalski:

Es muss Bilder geben von jedem, der die Geschichte verändert hat.
Deshalb gibt es Schnitzereien von Nero, Fotos von Hitler.
Wir dürfen diese Arschlöcher nicht vergessen.

Stanislaw szukalski: In ‚Ein ewiger kampf – Leben und Kunst des stanislaw szukalski

Vielleicht wird nichts aus diesem Projekt, wer weiß, aber im Grunde trage ich mich mit dem Gedanken an diesen Stoff schon so lange, dass es ein Aufgeben wäre, versuchte ich es nicht. Und es entspricht natürlich meinem gesamten bisherigen Werk, schlösse es ab, krönte es gar. Ich rechne mit fünf Jahren Arbeit.

Am heutigen Morgen, wir saßen gerade beim Frühstück, pingte eine Messenger-Nachricht ins Haus, zuerst auf dem Rechner im Arbeitszimmer, dann auch auf dem Handy in meiner Tasche. Die Liebste schaute mich genervt an und meinte, da wollen sie schon wieder was von dir. Als ich später, bei einer letzten Tasse Tee, nachschaute, da war es eine Meldung aus Brasilien. Man hatte mir das PDF der neuen Nummer der Zeitschrift LITTERA geschickt, in der meine Erzählung „Regenzeit in Cusco“, in der Übersetzung von Jan Oldenburg, abgedruckt ist. Es soll für den März der Auftakt einer Vorstellung meiner Person sein, der im April ein Interview folgen wird. Als Abschluss im Mai ist dann der Romananfang von „Der Mann, der den Regen fotografierte“ vorgesehen.

Ich finde, das ist ein sehr schön passender literarischer Gruß, quer über den Atlantik, und es addiert sich sehr gut zu meiner wieder erwachten Lust an der Arbeit.

Ja, ich weiß, es gibt auch immer noch die Ukraine, Putins Krieg und die eben bei mir als +++Eilmeldung+++ hereingekommene Nachricht, dass es ab morgen kein russisches Gas mehr gibt, wofür ich übrigens seit Wochen plädiert habe, aber, aber meine Arbeitsunfähigkeit seit Kriegsbeginn hilft niemandem, verhindert nur mich selbst. So, wie es mir auch nicht hilft, dass alle so tun, als gäbe es keine Pandemie mehr, obwohl die Infektionen jeden Tag Höchststände feiern. Ich habe inzwischen seit Jahren das Haus nicht mehr verlassen und werde das auch so beibehalten, zumindest die nächsten fünf Jahre, bis mein neues Buch fertig ist. Und dann können wir immer noch sehen, welcher Wahnsinn dann in der Welt tobt.

Bleiben Sie glücklich
wünscht Ihnen Ihr PHG

Peter H. E. Gogolin: Erzähler, Roman-Autor, Stücke- und Drehbuchschreiber, Lyriker