Erstaunliche Übereinstimmung
Samstag, 8. Januar 2022, bei „Arctic Riff“ vom Marcin Wasilewski Rrio und Joe Lovano
Im Herbst des vergangenen Jahres, als ich an den Fahnenkorrekturen zu „Kein Jahr der Liebe“, meinem Rom-Tagebuch aus der Villa Massimo saß, suchte ich auch nach Ideen, Vorschlägen und Bildern etc. für die Gestaltung des Umschlags. Letztlich fiel die Wahl auf eine Zeichnung, die der österreichische Maler und Filmemacher Ludwig Drahosch mir zur Verfügung stellte. Es ist ein mit großer Kunst in altmeisterlicher Manier gestaltetes Blatt, das, wie ich fand, sehr genau die enorme Bedrängnis ausdrückt, in der ich mich 1989 während meiner Arbeit in Rom befunden hatte. Und das, obwohl Drahosch sein Bild erst Jahrzehnte später gezeichnet hatte und mein Tagebuch ebenso wenig kannte wie mich.
Daraus war dann, als das Buch im Dezember erschien, das Cover geworden. Ich hielt das für einen glücklichen Umstand, denn dass etwas so genau meiner damaligen Lebens- und Gefühlslage entsprach, das war eigentlich nicht zu erwarten gewesen.
Vor ein paar Tage nun, ich sichtete auf der Suche nach einem Romananfang, den ich vor Jahren für das Projekt „Der Buchhalter des Meeres“ geschrieben hatte, alte Dateien, fand ich ein inzwischen vergessenes Traum-Tagebuch, das ich in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts unter dem Titel „Nachrichten aus einem fernen Land“ zusammengestellt hatte. Und darin den folgenden Traum:
Ich befinde mich in einem länglichen, schmalen Raum im Bett. Es ist halbdunkel, und ich kann nur wenig erkennen. Eine Frau, vermutlich J., kommt dazu, dann meine beiden kleinen Kinder, die irgendwie aufgewacht sind. Alle sind um mich herum, so wie sie, wenn die Kinder morgens früher erwachen, mitunter zu uns ins Bett kommen. Dann steht plötzlich eine weitere Person im Raum neben dem Bett, die wir nicht kennen oder erkennen können. Sie greift nach meinen Händen und hält mich fest. Wir haben alle den Eindruck von Gefahr. Ich will mich losmachen, was jedoch nicht gelingt. Die unbekannte Person krallt sich nun an meinen Händen fest, was sehr schmerzhaft ist. Ich beginne zu schreien und erwache. (Aus diesem Traum um 03:25 in der Nacht zum 15.05.95 in Wiesbaden erwacht.)
Aus dem unveröffentlichten Manuskript „Nachrichten aus einem fernen Land“
Als ich dieses Traumnotat las, das, wie ich finde, auf beinahe erschreckend genaue Weise das Bild von Ludwig Drahosch vorwegnimmt, kam es mir vor, als sei ein Seeleninhalt durch Raum und Zeit gereist, um mit Hilfe des begnadeten Zeichenstifts des Künstlers auf dem Blatt sichtbare Gestalt anzunehmen.
Danach musste nur noch die Zeit vergehen, bis wir uns trafen, ich vor Jahren dann die Idee hatte, mein altes Tagebuch von 1989 zu veröffentlichen und einen Umschlag gestalten musste, zu dem er mir genau dieses Bild vorschlug. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Zufall ist?
Während ich das hier notiere habe ich ihn angeschrieben und gefragt, wann er das Bild gezeichnet hat. Die Antwort kam gerade: ‚Am 20. August 2018, in Bulgarien in Koprivstica, einer kleinen Stadt in 1000 Meter Seehöhe.‘ Hat also mein Traum von 1995 im Jahre 2018 bildlichen Ausdruck gefunden? Eine Frage, die eine Geschichte von Jorge Luis Borges als Antwort wert wäre. Da Borges tot ist, so werde ich sie selbst schreiben müssen.
Bleiben Sie glücklich
wünscht Ihnen PHG