Zum Jahresende, doch noch …
Donnerstag, 30. Dezember 2021, bei den ‚Italian Arias‘ von Gluck und der Cecilia Bartoli, die sie so unvergleichlich zum Leben erweckt.
Grau, alles grau, tropfendnass seit Tagen, bei 15 Grad allerdings, so geht es auf’s Ende des Jahres zu. Am Morgen schrieb mir ANH „Sitze bereits in Roma Tiburtina im Regionale und warte, daß er endlich losfährt. – Strahlender Himmel, Bläue, Bläue, Bläue, 16 Grad und volle Sonne. Welch eine Erlösung.“ Das glaube ich ihm auf’s Wort, mit etwas Neid, versteht sich.
Aber man kann nicht alles haben, das Glück, den Sonnenschein. Ich begnüge mich mit den, nur Stunden vor Toresschluss, nun doch noch eingetroffenen Belegexemplaren meines Rom-Tagebuches, mit dem ich, infolge der völlig überforderten Druckerei, gar nicht mehr in diesem Jahr gerechnet hatte.
Wenn ich es recht bedenke, dann ist „Kein Jahr der Liebe – Notizen aus der Villa Massimo“, das immerhin über 320 Seiten stark ist, meine dritte Buchveröffentlichung in diesem Jahr. Nach dem Roman „Nichts weißt du, mein Bruder, von der Nacht“, der im Frühsommer erschien, und dem wunderbaren kleinen illustrierten Band „Der unsichtbare Hund“, für den der Berliner Künstler Kornelius Wilkins die Bilder beigesteuert hat, nun also dieser Tagebuchband. Tatsächlich hätte ich eben fast dieser erste Tagebuchband geschrieben. Aber falls ich tatsächlich weitere Tagebücher veröffentliche, so liegt das in weiter Ferne. Und es ging ja mit „Kein Jahr der Liebe“ nicht einfach um die Veröffentlichung eines Tagebuches, es ging um mein Romjahr, um das deutsche Wendejahr 1989, das auch für mich eine Wende war, um es mit Understatement zu sagen. Wie heißt es im Klappentext des Buches?
Das deutsche Wendejahr 1989 wurde auch für Peter H. E. Gogolin, der das Jahr in Rom verbrachte, weil er für seinen Roman »Kinder der Bosheit« mit dem begehrten Rom-Stipendium der Deutschen Akademie Villa Massimo ausgezeichnet worden war, zu einer Lebenswende. Zu einer Wende allerdings, die nicht ins Offene führte, sondern seine Existenz als Schriftsteller für Jahrzehnte vernichtete.
»Man ertrinkt nicht, weil man ins Wasser fällt.«, schreibt er. »Man ertrinkt, weil man nicht wieder auftaucht. Ich habe nach meinem Romaufenthalt 21 Jahre gebraucht, um wieder aufzutauchen.«
Seine römischen Aufzeichnungen »Kein Jahr der Liebe« sind ein Dokument dieses Lebensabschnitts.
Ja, so in etwa. Und es sollte recht schwer werden, dem ein weiteres Tagebuch mit ebensolchem Recht an die Seite zu stellen. Zumal, es ist, wie ich selbst während meiner Re-Lektüre mit Erstaunen bemerkte, eben nicht nur ein persönliches Tagebuch, es eines, das auch dem Weltgeschehen Raum gibt, und das war ja im Jahre 89 von selten erreichter Bedeutung.
Ansonsten geht es mir wie jedes Jahr in diesen Tagen; ich hänge zwischen den Zeiten fest. Das eine hat noch nicht wirklich geendet, das andere noch nicht begonnen. Und damit meine ich nicht einfach den normalen Jahreswechsel, sondern vor allem den Umstand, dass ich wenig später Geburtstag habe. Kurz gesagt, es ist für mich immer ein doppelter Jahresschluss und ebenso zweifacher Anfang, sodass ich nichts tun kann, bevor er nicht erfolgt ist und ich tatsächlich auf meiner Bahn ins neue Jahr entlassen bin.
Hoffen Sie mit mir, dass es auch diesmal klappt.
Und bleiben Sie glücklich
wünscht Ihnen Ihr PHG