Alte Bücher – Neue Bücher
Samstag, 30. Oktober 2021, bei Gaspare Spontinis „La Vestale“, in einer Aufnahme von 1954 von der Mailänder Scala unter Antonino Votto und mit wem? Mit der Callas als Giulia natürlich.
Die Oper, die ich gerade höre, brachte mich zu der Einsicht, dass es nicht leicht sein kann, einer Göttin zu dienen. So geht es zumindest der Vestalin Julia oder Giulia, die am liebsten fliehen möchte. Sie dient der römischen Göttin Vesta, der Hüterin des Herdes, der Familie und der staatlichen Gemeinschaft. Allerdings endet die Oper dann mit einer Ehe. Dann hätte Julia den Dienst an der Göttin gar nicht aufgeben müssen. Aber die Oper wurde 1805 geschrieben, da ist wohl weder dem Komponisten noch seinem Librettisten Victor-Joseph Étienne de Jouy etwas anderes eingefallen, was eine Frau als Ziel haben könnte. Nun gut, laut Libretto wäre die Alternative der Tod gewesen, da mag es angehen. Zum Glück vermag die Stimme der Callas ihren Schmerz darüber auszudrücken; dafür, für den Ausdruck des Schmerzes, liebe ich sie ja.
Ich blätterte nach dem Frühstück, – da meine Liebste mich verließ, um in Frankfurt eine Austellung von Paula Becker anzuschauen, über die sie in dieser Woche einen Vortrag gehalten hatte -, alte Ordner mit Gedichten durch. Nichts erscheint mir trostloser, als in Aktenordnern abgeheftete Gedichte. Aber die Liebste ermahnt mich dazu, weil mir sonst alles, was ich schreibe, verlorengehen würde. Nun, dabei fand ich heute auch diess:
Der erste Andruck und die Farbproben für den Umschlag des Gedichtbandes „Fast schwebend – Gespräch über den Vater“, der 2010 erschienen ist. Ich hatte die Idee dazu gehabt und schlug den Band meinem Bruder Dieter als gemeinsames Projekt vor. Zudem wollte ich die entstehenden Gedichtsammlung von Anfang an nicht nur in deutscher Sprache sondern zugleich auch auf Polnisch publizieren, um die Herkunft des Vaters sprachlich abzubilden. So geschah es dann auch. Leider brach der Verlag oder der Herausgeber darüber dann zusammen. Ich erhielt nicht einmal meine Belegstücke vollständig. Und käuflich im Handel sind die beiden Bände, der deutsche und der polnische, nie erschienen. Ich opferte von meinen wenigen Belegexemplaren sogar noch eines, um es der polnischen Übersetzerin zu schicken, die für ihre Arbeit sonst völlig leer ausgegangen wäre. Tja, Bücher haben Geschichte. Diese hatte ich vergessen. Egal, meine Gedichte darin haben noch für mich Bestand. Vermutlich sollte ich sie demnächst neu auflegen. Bez mojego brata.
Es sei, weil ich anfangs von meiner Liebsten schrieb, darauf hingewiesen, dass es nicht nur solche verunglückten Bücher gibt. Die Liebste hat nämlich, nach „Die Nacht mit Marilyn“ und „Rettungen“ nun ihren bereits dritten Erzählband geschrieben, den der Verlag inzwischen als vorbestellbar ankündigt.
„Der Mond ist ein Licht in der Nacht“ ist wieder ein Erzählzyklus geworden, also keine einfache Sammlung von Texten, sondern ein Geflecht von Geschichten, die thematisch und motivisch so untereinander verwoben sind und zusammengehören, dass sie erst alle gemeinsam das Buch ergeben. Es ist das Buch für alle, die noch ein Licht in der Nacht brauchen. Und wer braucht das nicht.
Bleiben Sie glücklich und vergessen Sie nicht,
dass in der Nacht die Zeit umgestellt wird
Ihr PHG