Am Jahresausgang
Donnerstag, 31. Dezember 2020, bei „Extended Circle“ und „The Well“ vom Tord Gustavsen Quartet
Seit dem frühen Morgen immer wieder Schneefall, der allerdings nicht liegenbleibt, kein Wunder bei 2 Grad plus. Bei Freunden in Georgenborn ist, der größeren Höhe wegen, alles verschneit. Also fallen für uns auch die Fahrten dorthin aus. Sonst alles still, lange geschlafen, Jutta räumt noch – wie schon seit Tagen – im Kellerarchiv. Wo hab ich den Ausdruck „in der Räumte sein“ gehört/gelesen? Eine Tätigkeit als Ort, worin man sich also befinden kann.
Mir schauen von rechts meine Schreibtisch-Heiligen zu, außerdem die noch unbearbeitete Fahne meines Romans „Nichts weißt du, mein Bruder, von der Nacht„, die erst nach meinem Geburtstag wieder in die Hand genommen wird, in meine linke, einzige, noch verbliebene Hand.
Ich habe mich jetzt übrigens entschieden, den Roman zu widmen, was ich ursprünglich nicht wollte, ja, woran ich gar nicht gedacht hatte, während des Schreibens zumindest nicht. Aber es ist wohl doch angemessen.
Das Weihnachtsfest, dann der Jahreswechsel und der kurz darauf folgende Geburtstag, diese so knapp datierte Abfolge von Ereignissen, zwischen denen ich gar nichts Sinnvolles tun bzw. planen kann, die es, so schön sie auch durchaus sein mögen, nur abzuwarten gilt, bevor ich neu zu starten in der Lage bin – im Zwischenreich sein, nicht oder zumindest noch nicht r e a l sein – ein letztlich unangenehmer Zustand; man steckt fest und wartet auf seine Geburt.
Was ich im kommenden Jahr, abgesehen von der Drucklegung des Bruderromans, auch sofort in Angriff nehmen muss, das ist die Weiterführung der Erzählung „Ein Brief aus al Uqsur“. Es ist der noch fehlende Text für meinen zweiten Erzählband, den ich ursprünglich „Lebensweisen mancher Leute“ nennen wollte und der nun, nach Intervention von Jutta, „Morgen ist ein anderer Tag“ heißen wird. Die Brief-Geschichte wird etwas schwierig werden, weil ich darin das Thema der non-binären Sexualität abhandeln will. Die Story wird ganz neu sein, abgesehen von den bereits existierenden zwei Seiten um das Motiv von Magdas Reinheit. Hingegen gehen die Anfänge der Titelerzählung recht weit zurück. Eine erste Fassung las ich erstmals öffentlich auf einem Kreienhoop-Autorentreffen bei Walter Kempowski vor, wozu mich Dieter Wellershoff als mein Pate eingeladen hatte. Aus der anschließenden Diskussion über den Text erinnere ich nur noch, dies aber deutlich, die Fragen und Hinweise von Libuse Moníková, die mir sehr wichtig waren, da ich im gleichen Jahr erstmal ihre Prosa kennengelernt und die ‚Pavane‘ und die ‚Fassade‘ gelesen hatte. Sie verstarb leider viel zu früh. Es ist Zeit, dass dieser Band meiner Erzählungen endlich erscheint. Es werden allesamt klassisch realistische Erzählungen sein.
So, die Musik in meinen Kopfhörern ist beendet. Meine Babbel-App erinnert mich, dass ich heute meinen Französisch-Kurs noch nicht fortgesetzt habe. Und, da ich nicht mit Schulden ins Neue Jahr gehen mag, so folge ich dem jetzt.
Bleiben Sie glücklich und
kommen Sie gut + gesund ins Jahr 2021
wünscht Ihr PHG
PS: Anlässlich meines bevorstehenden Geburtstages habe ich zu Gunsten des Deutschen PEN eine Spendenaktion für verfolgte SchriftstellerInnen eingerichtet, für die Sie hier spenden können.