John Banville ist 75 geworden
Dienstag, 8. Dezember 2020
Natürlich habe ich die Literatur Irlands immer geliebt. Seán O’Casey, James Joyce, Samuel Beckett, Seamus Heaney, Frank McCourt und … , ach die ganze Bande. Einer meiner liebsten Autoren, der mit mir etwa gleichaltrig ist, sodass ich fast geschrieben hätte, einer der jüngeren, ist der irische Autor John Banville. Ich lasse keinen neuen Roman von ihm aus.
Zum Glück kann ich auch keines seiner Bücher verpassen, da ich mit Christa Schuenke, der deutschen Übersetzerin befreundet bin, die seit 1996 sein Werk kongenial übersetzt. Heute schrieb Sie mir: “ JB schrieb mir grade, er sei gestern Abend als junger Mann von 35 schlafengegangen, und als er heute früh erwachte, sei er 40 Jahre älter gewesen. Er könne sich das nicht erklären. Wie gut ich das kenne. Und umgekehrt kommt auch mitunter vor, aber irgendwie immer seltener.“
Vor einigen Jahren, als man ihr signalisiert hatte er könne womöglich in den nächsten Tagen den Literatur-Nobelpreis erhalten, wozu sie doch dringend einen großen Zeitungsartikel vorbereiten solle, mit dem der Preisträger dem deutschen Publikum vorgestellt werden könne, fragte sie mich um einen Kommentar zu seinem Werk. Das Ergebnis in dieser mutmaßlichen Nobelpreisrede sah dann so aus:
Der Schriftsteller Peter H. E. Gogolin bringt auf den Punkt, worin Banvilles große Qualität besteht, was ihn zu einer Ausnahmeerscheinung in der europäischen und internationalen Gegenwartsliteratur macht und zu einem irischen Autor von Weltrang:
„John Banville führt uns vor Augen, dass unsere Identität brüchig ist, ein Konstrukt, das Sicherheit nur auf der dünnen Oberfläche der Gegenwart verspricht. Seine Figuren sind allesamt Vertriebene aus dieser täuschenden Gegenwart, denn sie müssen hinab ins Tal der Schatten, sie gehen auf Totensuche in der eigenen Vergangenheit und begegnen dabei den sich wandelnden Masken des eignen Ich. Dass der Leser die Reisen in die Unterwelten seiner Romane mitmacht, liegt ebenso an der verführerischen poetischen Sprache der Bücher wie an den Schatten in uns selbst, die Banvilles Prosa zum Sprechen bringt.“
Nun, was wir damals schrieben, wurde dann nicht gebraucht, den Preis bekam Bob Dylan. Auch okay, aber ich denke, diese Aussage gilt heute, da John Banville so jung 75 Jahre alt geworden ist, mehr denn je. Und ich wünsche mir noch viele Bücher von ihm.
Glücklich bleiben, lieber John Banville
wünscht Ihnen PHG