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Innehalten – eine Summe – und leben als ’normal housewife‘

Dienstag, 19. Mai 2020, bei „Once Upon A Time – Far Away In The South“ von Charlie Haden, Dino Saluzzi, Palle Mikkelborg u. Pierre Favre

Ungewollt geschieht mir so etwas wie ein Rückblick, zwar nicht auf mein Leben an sich, zumindest jedoch auf mein Leben als Leser und dann, dazu ist es weniger als ein Schritt, als Schreibender. Das ergibt sich daraus, dass ich in den letzten Monaten meinen Erzählband „Isoldes Liebhaber“ für die Publikation fertiggemacht habe.

370 Seiten, die meine Phantastischen Erzählungen versammeln und nur deshalb noch nicht in Satz gegangen sind, weil ich dachte, dass ich ein paar erklärende Worte anfügen solle, was die Literatur der Phantastik ist, was sie von realistischer Literatur unterscheidet, wie ich dazu gekommen bin, was für einen Stellenwert sie für mich einnimmt usw. Sehr schnell wurde aus diesem Vorhaben, das ursprünglich nur ein kurzes Nachwort hatte werden sollen, ein größerer Essay, dann, als ich auch wieder einige Texte zu lesen begann, die für mich in dieser Hinsicht wesentlich waren, gewann alles die Umrisse eines eigenen Buches. Auf dieser Stufe der Entwicklung setzte ich ein großes STOP, schrieb einige Tage gar nichts, versprach mir dann, das Buch eines Tages zu schreiben, aber als Einzelveröffentlichung. Seither versuche ich, entlang meiner biografischen Entwicklung als Leser der Phantastik, einerseits einen halbwegs nachvollziehbaren Überblick über meine eigene Erfahrung mit diesem literarischen Genre zu geben, andererseits zumindest so vollständig zu sein, dass ein Leser, der das lesend nachvollziehen möchte, einen Wegweiser hätte. Vermutlich ist zwar beides sinnlos, weil das eine wie das andere kein einziges Sus scrofa domesticus interessiert, aber die Hoffnung stirbt bekanntlich …

Nun, dabei ist sicher das, was mir selbst widerfährt, das Interessanteste, für mich, denn ich erlebe während der Niederschrift, wie sich mein Leben entlang meines vergangenen Lesens und Schreibens entwickelt und verflochten hat. Für einen Außenstehenden ist das gewiss völlig langweilig, während ich unter der Arbeit am Text begriff, wie das Drama meines Lebens darin eingebettet ist.

Deep Space Aufnahme des Hubble Teleskops

An einem der vergangenen Abende sah ich eine biographische Dokumentation über den Astronauten Gene Cernan. Anders als Neil Armstrong kennt heute wohl kaum jemand noch seinen Namen. Cernan war 1972 der zwölfte und bisher letzte Mensch, der den Mond betreten hat. Betroffen machte mich an diesem spannenden Film aber vor allem seine Frau, die sich nach seinem Besuch auf dem Mond von ihm getrennt hatte. Sie sagte, sie habe ihren Mann angeschaut und gedacht: „Cernan, das ist dein Leben. So hast du es dir immer gewünscht. Aber ich nicht. Ich wollte ein normales Leben, wollte eine normale Hausfrau sein.“ Und natürlich trennten sich die beiden danach.

Ich dachte sofort, das ist ja auf alles übertragbar, dafür muss man nicht auf den Mond fliegen wollen. Es trifft auf alle zu, wenn sie nicht gemeinsame Ziele haben. Als ich meiner Liebsten davon erzählte, zog sie selbst auch sofort diese Verbindung und sagte: „Ja, genau, und wenn du ihnen ihr tolles ‚Life as a normal housewife‘ nicht garantieren kannst, dann verbieten sie dir das Schreiben und werfen deine Schreibmaschine weg.“

Darin liegt alles beschlossen. Die ganze Missachtung, die permanente Beleidigung und der Hohn, die ich in der ersten Hälfte meines Lebens für mein Schreiben geerntet habe. Und das nicht, weil ich erfolglos war. Das kam erst hinterher. Ich wurde auf diese Weise vernichtet, als ich am erfolgreichsten war.

Das reicht für heute, weiter mit meinem Essay zur Phantastischen Literatur. Damit ich am Ende wenigstens sagen kann, dass es ein Ergebnis gehabt hat.

Bleiben Sie glücklich
wünscht PHG

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Peter H. E. Gogolin: Erzähler, Roman-Autor, Stücke- und Drehbuchschreiber, Lyriker