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Wie Sand – oder von der Sinnlosigkeit des Lesens?

Mittwoch, 26. Februar 2020, bei „Long Ago And Far Away“ von Charlie Haden & Brad Mehldau, Liveaufnahme vom 5. November 2018 in Mannheim

So geht nun auch der Februar auf sein Ende zu. Wer weiß, womit ich das verdient habe. Vermutlich bemerke ich das Vergehen der Zeit besonders deutlich, weil ich längst nicht mehr in diesem vorwärtsstürmenden allgemeinen Betriebsmodus des höher-schneller-weiter bin. In diesem Zustand bemerkt man ja gar nichts, bildet sich stattdessen ein, etwas erreicht zu haben, auch wenn sich dieses angebliche Ziel nur an der Veränderung des Kontostandes ablesen lässt. Aber nun gut, darüber soll man nicht klagen; ich kenne Leute, die gar nichts anderes zu lesen verstehen und diese Leseschwäche mit dem Hinweis zu adeln versuchen, dass etwas anderes zu lesen sich auch nicht lohne. Recht werden sie haben, wie könnte ich solchem Wachstum meinen Wunsch nach mehr Lektürezeit für Augustinus oder gar Hegel entgegenstellen! Absurditäten aller Orten.

Alban Nikolai Herbst: „Wanderer“ – ein Werk, das bei den Ursprüngen des Erzählens beginnt. Also dort, wo man schon immer mal hinwollte.

Und ist das Lesen nicht in der Tat sinnlos? Gestern unterhielt ich mich mit dem Autor des obigen Erzählbandes, weil ich auf einen der darin enthaltenen Texte hinweisen wollte. Da wusste ich doch prompt nicht mal mehr den Titel, so schilderte ich den Inhalt, mit dem Ergebnis, dass er, der Autor, sich nicht daran zu erinnern vermochte und behauptete, es handele sich um eine Szene aus seinem Roman „Argo“, nicht um eine Erzählung aus „Wanderer“. Seither blättere ich die 600 Seiten des Bandes durch, in der Hoffnung, Anschluss an meine zerfallenden Erinnerungen zu finden.

Im Labyrinth

Ich träume viel in diesen
späten Tagen. Logbücher
verzeichnen Schiffbrüche.
Was wären sie sonst wert.

Die Liebste hat uns in Paris
ein Haus gekauft, und ich
ich traf die Baumeister
der babylonischen Städte
in der Nacht darauf.

Das Lesen ist wie Sand,
der stetig durch mich rinnt.
Und keiner Festung Mauern
reichen aus, dem Wind zu trotzen.

Ach, alle alten Narren begegnen mir,
im Labyrinth, mit ihren bunten Mützen.
So geht’s in dieses Jahr.


Ich wünsch Ihnen coronafreie Tage
und dass Sie glücklich bleiben
Ihr PHG

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Peter H. E. Gogolin: Erzähler, Roman-Autor, Stücke- und Drehbuchschreiber, Lyriker