Aufräumen vor dem Fest
Montag, 23. Dezember 2019, bei Edward Elgars 2. Symphonie unter Kirill Petrenko
Sonne im Garten nach rauchgrauen Regentagen, insgesamt viel zu warm; die Calendula vor meinem Arbeitszimmerfenster beginnen bereits wieder zu blühen. Nun, die Wärme erleichtert zumindest meine täglichen Kurzspaziergänge.
Als ich am Morgen erwachte, war ich mit einer Gruppe von Männern aus einem Gestapo-Gefängnis geflohen. Seltsamerweise war ich sicher, dass das Geschehen in Frankreich stattfand. Jemand wollte uns über die Grenze bringen. Über welche? Er meinte zu mir, während wir unterwegs waren: Freund oder Feind, das ist mir einerlei. Ich antwortete: Freunde sind ungewiss, aber wenn du nicht weißt, wer der Feind ist, dann weißt du gar nichts. Ekelhaft, dachte ich nach dem Erwachen, dass man von diesem Dreck noch immer verfolgt wird.
Gestern bin ich spät mit dem Lektorat der zweiten Novelle „Das Freese-Manuskript“ fertig geworden. So werde ich nach dem Fest an den letzten Text gehen können. Allerdings bin ich immer noch unentschieden, ob der Titel so bleiben kann, ob also „Das Freese-Manuskript“ wirklich besser ist, als „Er kommt erst am Abend zurück“. An der abschließenden dritten Novelle „Isoldes Liebhaber“ dürfte nicht mehr so viel zu tun sein, denn sie war ja bereits einmal fertig. Aber man weiß nie. Das Werk ist grundsätzlich unabschließbar. Jeder Abschluss ist eine willkürliche Entscheidung, aber ich will doch vermeiden, solch fürchterlichen Fehler wie ANH in seinem Wanderer-Band zu machen, die mir das ganze Buch verleiden.
Überlege seit Tagen, ob ich zu Jahresbeginn mit einem neuen Tagebuch beginnen soll, gewissermaßen mein „Siebzig verweht“, natürlich ohne dabei Jüngers permanenten Rückgriff auf das Weltganze betreiben zu wollen. Allerdings, das sei gestanden, bin ich mir über mein Motiv für das Schreiben gerade dieses Tagebuchs nicht ganz im Klaren. Die ständige Notwendigkeit, das Geröll des Tages zu verzeichnen, sehe ich längst nicht mehr. Und wenn ich mir damit nur beweisen will, dass ich nach dem Erreichen des 70sten nicht verstummt bin, dann hat es auch wenig Sinn.
Letztlich wird es erstens von den neuen Arbeitsprojekten, auf die ich mich vorbereite, abhängen – d.h. vom „Behemoth“ Roman und von den Arbeiten an Pounds „Cantos“, die ich wieder aufgenommen habe -, sowie zweitens von der Entscheidung, das Tagebuch als ein permanentes Arbeitstagebuch online zu führen, sprich öffentlich. Die Entscheidung dafür oder dagegen fälle ich in den nächsten Tagen.
Ansonsten wünsche ich allen ein wunderbares Weihnachtsfest, ruhige Tage um den Jahreswechsel und ein gutes Ankommen im Jahre 2020.
Mögen alle lebenden Wesen
von Leiden frei sein, wünscht
Ihr PHG