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Und wenn alles Täuschung wär?

Sonntag, 27. Oktober 2017, bei „The Ballad of the Fallen“ von Charlie Haden und Carla Bley, Don Cherry, Sharon Freeman, Mick Goodrick, Jack Jeffers, Michael Mantler, Paul Motian, Jim Peper, Dewey Redman, Steve Slagle und Gary Valente.

Die Menschen und die Wahrheit, das war schon immer ein krudes Verhältnis. Schon der Glaube, es gäbe eine Wahrheit, ist ja im Grunde nichts als Metaphysik, aber daran sollen sich von mir aus die Philosophen wundstoßen. Richtig schlimm wird es natürlich erst, wenn man auf jemanden trifft, der sie zu besitzen behauptet, die Wahrheit, dieses interessante Wesen. Pech hat man, wenn man sich noch oder wieder in Kontexten bewegt, in denen diese Wahrheits-Besitzer eine religiöse Autorität behaupten. Wenn man kann, so sollte man sich da fernhalten. Einfach wegen der potentiellen Lebensgefahr.

Den meisten von uns begegnet diese Problem nur in abgemilderter Form. Etwa wenn einem auf Facebook plötzlich die eben noch hundertfach gelikten Katzenfotos um die Ohren gehauen werden, weil jemand die Wahrheit über dich erkannt zu haben meint, nämlich, dass du ein präfaschistischer Tierquäler bist und nun verfolgt gehörst. Und alle, die dir eben noch eimerweise rote Herzen vor die Tür gekippt haben, glauben die Tierquäler-Wahrheit, beschimpfen dich fortan und verlangen deine Entfernung als Lehrerin aus dem Staatsdienst usw.

Erinnern Sie sich an die Matrix-Filme? Die fand ich immer enorm demokratisch? Warum? Nun, weil Neo von Morpheus zwischen der blauen und der roten Kapsel die Wahl gelassen wurde. So sollte, finde ich, die Welt eingerichtet sein. Ja, mehr noch, es gibt in einer der Folgen sogar eine Figur, die bewusst die falsche Wahl trifft und zurück in die Matrix will. Sie verzichtet also auf die Wahrheit und wird zum Verräter. Jede Wahrheit, die mir diese Möglichkeit nicht lässt, ist repressiv und untergräbt sich damit selbst.

Aber so weit wie Matrix geht natürlich keiner der gegenwärtigen Wirklichkeit-Anzweifler. Ob nun Chemtrail-Gläubige oder Lügenpresse-Schreihälse, „Deutschland gibt es nicht“-Bürger oder Schlimmeres, sie sind in der Behauptung, Begründung und Verteidigung ihrer Wahrheiten erschreckend einfallslos, banal und langweilig. Immer wieder rennen sie gegen die gleichen Windmühlen in ihren Köpfen an und finden nur die Ausländer, die Konzerne, die Juden, klar, einige glauben noch, dass der Führer in der Antarktis lebt, aber die werden nicht mal in Sachsen ernst genommen.

Neulich las ich in einem BLOG, den ich regelmäßig besuche, diesen Kommentar: „Die Montags-Demos in der DDR, haben soweit ich weiß, nicht dazu geführt, dass es zur s.g. Wiedervereinigung kam, die nichts anderes war, als eine gut getarnte feindliche Übernahme – die nur durch ein gut vorbereitetes Theaterspiel ermöglicht wurde, bei dem die Zuschauer mitspielen mussten und riefen „Wir sind das Volk“ und glaubten, sie haben dafür gesorgt, dass Deutschalnd wieder EIN Land wurde… Denn nur durch diese Täuschung, diese Inszenierung, konnte die Übernahme auf diese unfaire Weise statt finden… da alle im Glückstaumel waren und niemand in dem ganzen Chaos bemerkte, was wirklich passierte, WIE das Ganze abgewickelt wurde, mit welchen Folgen für das Volk auf beiden Seiten. Dazu gibt es inzwischen viele öffentliche Informationen, und ich finde es wichtig, diesen Irrglauben, das Volk hätte das geschafft – loszulassen und nicht immer wieder zu postulieren. Denn es ist ein wunderbares Beispiel, was darauf schließen lässt, dass die s.g. Volksaufstände/Revolutionen usw. immer von bestimmten Mächten gewollt und unterstützt waren, andernfalls wurden sie zerschlagen, totgeschwiegen, ignoriert… Denn jede öffentliche Masseninitiative ist, wenn sie erfolgreich ist, schon unterwandert und gelenkt und benutzt… Wer die Medien behrrscht und das Geld lenkt, beherrscht das öffentliche Spiel… zumindest ist das meine ganze persönliche Meinung, da ich das überall sehe.
Sobald eine freie und gut gemeinte Initiative wirklich groß wird, sollte uns das misstrauisch machen, denn es heißt, es fließen Gelder dort hinein (Hier sollten wir fragen: Woher kommen diese Gelder, und wer hat ein Interesse daran, und wie verändern sich die ursprünglichen Ziele) – denn ohne Geld und mediale Aufmerksamkeit und gute Organisation ist es fast unmöglich Massen zu mobilisieren… Da, wo das geschieht, hat die MACHT ihre Hand im Spiel – da wird etwas inszeniert, was genau, lässt sich leichter im Nachhinein erkennen. Wenn man sich aus diesem Gesichtspunkt die s.g. Geschichte der letzten Jahrhunderte anschaut, findet man das überall… die offizielle Geschichtsschreibung, klärt natürlich nicht über die Inszenierungen auf, sondern erweckt den falschen Anschein… aber wenn man die Methoden kennt, die Kulissen kennt, dann gelingt es, dahinter zu schauen, was wirklich statt gefunden hat und warum.

So schaut das also aus? Mich hat das an Büchners Drama Woyzeck erinnert. Der einfache Soldat Franz Woyzeck glaubt, dass alles unterwandert sei. Er tritt auf den Boden und meint zu hören, dass da unten alles hohl sei. Die Welt ist von geheimen Mächten ausgehöhlt. Das hätten die Freimaurer gemacht, sagt er. Sein Leben in dieser fremdbestimmten Welt entspricht der Abhängigkeit und Machtlosigkeit, in der er sich real im Verhältnis zu seinen Vorgesetzten befindet. Am Ende, wenn er glaubt, dass Marie, seine Freundin, mit der er ein Kind hat, ihn betrügt, wird er sich, von einer inneren Stimme gedrängt, entschließen, sie mit dem Messer zu erstechen.

Aus Büchners Woyzeck-Manuskript

Ich finde, Büchners Stück „Woyzeck“ müsste Land auf, Land ab, jeden Tag in jedem Theater gespielt werden. Es ist so aktuell, aktueller geht es nicht mehr. Aber na ja, die Jungs mit den Messern in der Tasche gehen halt nicht ins Theater. Sie werden also nie erfahren, dass es seit bald 180 Jahren ein Stück über sie gibt. Und vor allem ein Stück, in dem sie wirklich verstanden werden.

Was sollen wir also tun? Was ist die Wahrheit? Ich weiß keinen Rat, außer den alten Kantschen, dass man immer wieder annehmen sollte, dass man selbst Unrecht haben könnte. Wenn Sie auf jemanden treffen, der das nicht kann, dann sollten Sie sich von ihm schleunigst entfernen. Auch und gerade dann, wenn sie feststellen, dass sie das selbst sind.

Ich wünsche noch einen schönen Sonntag
Ihr PHG

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Peter H. E. Gogolin: Erzähler, Roman-Autor, Stücke- und Drehbuchschreiber, Lyriker