Demarkationslinie
Venedig, Sonntag, 22. Oktober 2017, vor dem Regen, bei 'Cantaloupe Island' und 'Head Hunters' von Herbie Hancock
Noah hatte drei Söhne: Sem, Ham und Japhet.
Ham bemerkte bloß, daß sein Vater ein Trunkenbold
war, und vergaß, daß er auch ein Genie war, daß
er eine Arche gebaut hatte und so die Welt rettete.
Schriftsteller sollten nicht Ham nachahmen, vergiß das nicht.
Anton Tschechow: Briefe, 16.9.1891
Seit Tagen setze ich, sobald ich ein paar freie Minuten habe, alles daran, meine neue Webseite einzurichten. Die Besucher werden es wohl schon gemerkt und sich vielleicht geärgert haben, dass sie sich nicht mehr zurechtfanden, einige der Menüs noch nicht funktionieren usw. Auch die Anordnung des BLOGs, für den man nun nach unten scrollen muss, ist vermutlich gewöhnungsbedürftig. Aber das kann ich jetzt nicht ändern. Heute nun nach fast drei Wochen der erste neue Beitrag, der auch ein Abschluss sein soll.
Für mich ist das neue Gesicht meiner Webseite so etwas wie eine Demarkationslinie, auf deren einer Seite zu sehen ist, was meine Literatur bisher war, womit ich etwa den Zeitraum bis zum Beginn dieses Jahres meine. Es betrifft also in der Hauptsache meine folgenden Bücher, die alle seit 2011 entstanden und veröffentlicht worden sind:
Es gibt dann noch den Roman „Der Mann, der den Regen fotografierte“, doch schließe ich ihn bis zu einer möglichen Neuauflage aus meinem Werk aus, da er mir von meinem Verleger vernichtet worden ist. Er war bis auf den heutigen Tag niemals wirklich lieferbar, was ich nur ertragen kann, indem ich das Buch und den Verursacher dieses Desasters aus meinem Werk und Leben streiche. Es ist eh schon zuviel, Bücher zu schreiben und Köpfe zu finden, die diese verstehen. Da braucht man nicht noch einen Verleger, der seine elementarsten Pflichten versäumt, weil er aus seiner Depression nicht heraus kommt.
Gleichfalls erwähne ich hier nicht meine Gedichte sowie meine Filmdrehbücher und Theaterstücke. Letztere waren Ausflüge auf ein Gebiet, das ich niemals wirklich bevorzugt habe, auch wenn ein Stück wie „Das Geheimnis des Alten Waldes“ mir viel Spaß gemacht hat, wichtig war und zudem mehr Geld eingebracht hat, als manches Buch. Was die Gedichte betrifft, so werden neue kommen, andere, formal und thematisch, aber das ist eh kein Gebiet der poetischen Produktion, das sich provozieren lässt.
Außerdem habe ich in diesem Jahr zwei Hörbücher vom Markt genommen, da die Produktionen nach Jahren von den Verlagen und den damit verbundenen Vertriebspartnern nur noch als eine Art Füllmasse behandelt wurden. Das heißt, sie vermarkteten sie als kostenlose Beigaben für Kunden, die Abo-Verträge abschlossen, während an Autor und Sprecher lediglich minimalste Cent-Beträge als Honorar gezahlt wurden. Ich zog die Bücher deshalb zurück, denn dafür mache ich meine Arbeit nicht. Von der Zahlungen für die Schlussabrechnung nach Vertragskündigung habe ich mir zweimal Pizza kaufen können.
Schade ist es dabei an sich nur um die Hörbuchfassung meiner Erzählsammlung „Der Schatten Gottes“ gewesen, da diese Sammlung von Texten in keiner anderen Publikationsform verfügbar war. Aber andererseits sind die Erzählungen dadurch wieder frei geworden, um vielleicht bei anderer Gelegenheit als Buch gedruckt zu werden.
Diesseits der Demarkationslinie wird neues Entstehen. In diesem Jahr sollen es freilich nur noch zwei kürzere Essays sein, zu Giorgos Seferis und Alban Nikolai Herbst, quasi als Handübung für einen längeren, der ein eigenes Buch ergeben wird. Ich arbeite seit Wochen an der Sichtung der Literatur dazu und will im Januar mit der Niederschrift beginnen. Der Arbeitstitel lautet zur Zeit: „Faschismus und Literarische Avantgarde im 20. Jahrhundert“.
Vor fast einem Jahr habe ich dieses Projekt erstmals nebenbei in einem Interview öffentlich gemacht. Aber es liegt mir schon seit Jahren sehr am Herzen. Wenn ich damit im kommenden Jahr ein gutes Stück voran komme, so werde ich es zufrieden sein.
Neue Romane werde ich vorerst nicht in Angriff nehmen. Es gibt das Manuskript des Romans „Nichts weißt du, meine Bruder, von der Nacht“ und es gibt das Manuskript „In der Nacht des zehnten Tages“, in dem ich den Tod meiner Mutter erzähle. Es beginnt mit den Worten:
In einer wundersamen Nacht, während der Wind wie ein hungriges Tier um das Haus strich, begleitete ich meine Mutter an den Ort zurück, von dem sie mich 65 Jahre und elf Monate zuvor in die Welt geholt hatte. Für den letzten Abschnitt unserer Reise hatten wir zehn Tage gebraucht. Als die Stille nach ihrem letzten Atemzug mir sagte, dass sie fort war, wusste ich, dass ich allein weitergehen musste.
Und so gehe ich nun. Ich wünsche Ihnen
tausend offene Weg
Ihr PHG