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… im Gespräch mit Toren

Wiesbaden, Mittwoch, 31. Mai 2017, mit Giovanni Paisiellos: 'La Serva Padrona' und
der Sinfonie Nr.3, op. 29 von Helmut Eder

Wer wußte je das Leben recht zu fassen,
wer hat die Hälfte nicht davon verloren
im Traum, im Fieber, im Gespräch mit Toren …
(August von Platen)

In den letzten Tagen Lektoratsarbeiten an einem fremden Manuskript, ansonsten nur Lektüre (zu Benn, zudem Philosophie des Geistes und Derridas Postkarte), gar keine eigene Textarbeit hingegen, obwohl mein Manuskript zum „Akkordeonspieler“ neben mir liegt, begonnen wurde, doch wartet, warten muss.

Ich will hier nicht mit Gründen traktieren, wem und/oder welchen Ursachen die Stockung zuzuschreiben ist, doch sind es wohl stets Platens Gespräche mit Toren, um im Allgemeinen zu bleiben. Sie haben die Eigenschaft, so sehr den Kopf zu füllen, dass man immer wieder tage- und wochenlang kämpfen muss, sich davon zu befreien.  Hat man das endlich geschafft und glaubt, jetzt könne man vielleicht wieder zu anderer/neuer Arbeit zurückfinden, dann erscheinen diese Vampire, die einem die Lebenszeit & Arbeitskraft wegfressen, prompt wieder auf der Bühne und machen weiter. Es ist, als hätten sie ein unfehlbares inneres Gespür dafür, wann sie einen erneut heimsuchen müssen.

Zudem geht mir bereits länger durch den Kopf, dass ich (zumindest mittelfristig) zu einer anderen Form des Schreibens kommen möchte, zu anderen Texten. Es ist schwer zu beschreiben, doch spüre ich deutlich, dass sich die herkömmlichen Prosaformen für mich erschöpft haben. Ich habe ja immer ein großes Gewicht auf die Form gelegt, mithin auf etwas, das vom ordinary Reader in der Regel gar nicht bemerkt – oder wenn bemerkt, als störend empfunden – wird. Das liegt schlicht daran, dass die heutigen Leser ganz ausschließlich auf Handlung konzentriert sind. Und es hängt mir schon lange zum Halse heraus, ständig Handlungen zu konstruieren, damit der Leser etwas hat, dem er folgen kann. Deshalb war es, um es zurückhaltend zu formulieren, schon lange mein Bestreben, Bücher zu schreiben, die ihre Daseinsberechtigung nicht aus der in ihnen stattfindenden Handlung allein beziehen.

Aber warum überhaupt Handlung? Warum all diese konstruierten kausalen Abfolgen von Ereignissen? Um dem Leser das befriedigende Gefühl zu geben, er könne da irgendwas verstehen? Warum nicht stattdessen ein Buch schreiben, das mit dem Satz beginnt: ‚So werde ich Ihnen also am Ende keine Geschichte erzählt haben.‘? Nur, weil das niemand liest?

Nun, ich werde sehen müssen, zumindest scheint mir solch ein Konzept viel spielerische Freiheit zu gewähren. Bis es so weit ist, stehen freilich andere Bücher bevor. Zum einen mein Brasilienroman „Der Mann, der den Regen fotografierte“, mit etwas Verspätung hat das Buch inzwischen zumindest den Weg von der Druckerei in den Verlag gefunden (Freitag soll ich mir die Belegstücke abholen), doch werde ich naturgemäß erst eine Spur weit zufrieden sein, wenn es auch im Buchhandel erreichbar ist. Das müssen wir noch abwarten.

Zudem steht für das kommende Frühjahr mein Roman „Nichts weißt du, mein Bruder, von der Nacht“ auf dem Programm. Da wird irgendwann noch Arbeit auf mich zukommen. Und drittens muss der oben erwähnte „Akkordeonspieler“ fertig werden. Mit anderen Worten, es stehen noch ausreichend Bücher mit einer ‚verstehbaren‘ (so hoffe ich zumindest) Geschichte bevor. Keine Bange also. Und vielleicht stellt, bis es so weit sein wird, Orpheus sein Geschwätz ja auch ein.

Ich wünsche Ihnen weitere Sommertage
und bleiben Sie glücklich, Ihr PHG

 

 

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Peter H. E. Gogolin: Erzähler, Roman-Autor, Stücke- und Drehbuchschreiber, Lyriker