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Vom Weltgeschehen dominiert

Berlin, Dienstag 20. Dezember 2016, bei ganz viel Musik von John Coltrane, 
weil seine Musik für mich immer so ein Trost ist.

Ich schreibe mitten im Sonnenschein, trotzdem ist heute ein schwarzer Tag. Im Grunde sogar der (leider wohl nur vorläufige) Höhepunkt der schwarzen Tage in diesem Jahr. Sophie Scholl hat gesagt, es sei sehr schade, in einer Zeit leben zu müssen, die so sehr vom Weltgeschehen dominiert sei. Ja, wir leben in einer Elendszeit, die dazu führen könnte, völlig zu verstummen.

Zumindest war dies seit Tagen mein Gefühl, ohne dass ich dazu neige, zu sehr der Depression nachzugeben. Aber ich denke, wer  nicht wenigstens vorübergehend den Eindruck hat, dass das eigene Tun angesichts der Ereignisse – ob nun in Syrien, Berlin oder ……. (hier einen Ort Ihrer Wahl einsetzen) – gänzlich entwertet sei, dem ist nicht mehr zu helfen.

So hatte ich mich seit Tagen auf das Schreiben eines kleinen Arbeitsberichtes gefreut, mit dem ich gewissermaßen das Haus saubermachen wollte, um dann frei von alten Lasten des hinter mir liegenden Schreibjahres die Festtage und den Jahreswechsel zu begehen. Die Lust darauf ist mir nachhaltig vergangen. Wenn ich es nun trotzdem tue, dann nicht deshalb, weil ich mich für so großartig wichtig halte, sondern einfach nur deshalb, weil sich wieder die alte Erkenntnis in mir durchgesetzt hat, dass wir auch und gerade angesichts der allumfassenden Dunkelheit um uns immer wieder unser eigenes kleines Licht hochhalten müssen.

Wir geben nicht auf. Wir fangen nochmals an, möchte ich rufen! Was wollte ich also über das Jahr 2016 und meine Arbeit berichten? In der Ablage links von mir wartet dieser Stapel mit Manuskriptseiten, Notiz- und begleitenden Arbeitsbüchern, die auf dem Weg in den Manuskriptkeller sind.


Von unten nach oben sind das die letzten vier Manuskript-Fassungen meines Brasilien-Romans „Der Mann, der den Regen fotografierte, die Fassungen 5 bis 8, denn die ersten vier haben den Manuskriptkeller bereits erreicht. Darüber dann, eine Materialmappe, die sich seit Ostern 2012 angesammelt hatte, dem Zeitpunkt meiner Brasilienreise und der Romanidee, darauf zwei begleitende Arbeitsbücher und zwei Notizhefte, die ich während der Niederschrift des Romans vollgesudelt habe. Und obenauf eine Kopie der ersten Druckfahne, die ich vermutlich heute noch, wenn das Buch im Verlag neu gesetzt worden ist, durchsprechen muss.

Das ist wenig, zumindest für die Welt. Für mich ist es viel, auch wenn ich nicht parallel noch mein Mutterbuch „In der Nacht des zehnten Tages“ geschrieben hätte. Dafür hatte ich mir, nachdem meine Mutter am 4. Dezember 2015 gestorben war, analog zur elfmonatigen Trauerzeit des jüdischen ‚Kaddisch‘, die Monate Januar bis November als Schreibzeit vorgenommen, wurde aber schon früher fertig.

2016 war für mich eines der intensivsten Arbeitsjahre. Und ich bin stolz darauf, auch wenn angesichts der Weltereignisse die Nichtigkeit überwältigend zu sein scheint. Aber das ist meine Arbeit. Das ist das, was ich in dieser Welt tun kann. Das ist die Arbeit, die nur ich tun kann. Ich werde daran festhalten.

Trotz aller Traurigkeit, die sicher Sie ebenso spüren, bleiben auch Sie standhaft bei den Dingen, die Ihnen wichtig sind, das wünscht Ihnen Ihr PHG

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Peter H. E. Gogolin: Erzähler, Roman-Autor, Stücke- und Drehbuchschreiber, Lyriker