Stadt der Träume – Nachtrag
Wiesbaden, Mittwoch, 10. April 2013, mit Robert Schuhmanns Symphonie Nr. 3 Es-dur, op. 97, die "Rheinische" unter Georg Solti, der die Wiener Philharmoniker 1971 dirigiert.
Meine weiter unten zu findende kleine Parabel über die ‚Stadt der Träume‘ – Sognocity, hatte ich nur deshalb nachträglich in meinen BLOG gestellt, weil ich diesen Text, den ich ursprünglich an einem Abend mit unsäglichen Diskussionen über das ‚wahre Wesen der DDR‘ in Havanna notiert hatte, unserem Freund Andreas Baesler vorlas. Er war nach langem Aufenthalt aus Havanna gekommen, um seine schmutzige Wäsche abzuholen, die wir auf dem Rückflug mitgenommen hatten. Andreas arbeitet bereits seit fast einem Jahrzehnt immer wieder in Havanna und hat dort viele musikalische Projekte realisiert; so zuletzt „El Cimarrón“ von Hans-Werner Henze, das am 15. Februar 2013 Premiere hatte.
Nun, wir saßen in der Nacht noch spät, tranken eine Flasche spanischen Wein, schauten uns Bilder an und redeten viel über Kuba. Irgendwann las ich dann von der verschmierten Oberfläche meines iPads eben auch meine Parabel über die Stadt der Träume vor. Hätte ich das nicht getan, so hätte ich den Text sicher auch niemals auf meiner Webseite veröffentlicht. Ich hatte mich ja eh schon seit Wochen dort sehr deutlich zurück gehalten.
Nachdem ich dann in meinem BLOG den Text neu veröffentlich hatte, kam von Andreas eine Rückmeldung auf meinen Text, den ich etwas ausführlicher beantwortet habe.
Er schrieb: „Warum hast du eigentlich das italienische Wort „sogno“ benutzt anstatt des spanischen „sueño“? Wolltest du eine eindeutige Anspielung auf das spanischsprachige Cuba vermeiden? Ausserdem heisst „sueño“ im Spanischen gleichzeitig auch „Schlaf“, was ja in deiner Geschichte auch ganz passend wäre…“
Ich antwortete darauf: „… warum Sogno und Sognocity? Das kann man sich natürlich fragen. Nun habe ich das zwar in Havanna geschrieben, doch ging es mir nicht um Havanna oder halt Kuba speziell. Havanna ist ja nur eines der letzten Schaufenster, in dem wir die Ruinen besichtigen können, zu denen unsere politischen Utopien inzwischen zerfallen sind. Man kann das ebensogut auf die DDR beziehen oder halt auf das, was in den Köpfen noch davon übrig ist. Nun, auf jeden Fall habe ich es aus diesem Grunde nicht für nötig gehalten, spanisch zu schreiben.
Aber der eigentliche Grund ist ein anderer. Ich habe ’sogno‘ geschrieben, weil ich mich damit auf einen Titel von Pier Paolo Pasolini beziehe, nämlich auf den 1962 von ihm veröffentlichten Band „Il sogno di una cosa“ – zu Deutsch, wo der Satz ursprünglich auch herkommt, „Der Traum von einer Sache“.
Das wiederum geht zurück auf einen Text von Karl Marx, der in den 1840gern geschrieben hat „Es wird sich zeigen, daß die Welt längst den Traum von einer Sache besitzt, von der sie nur das Bewußtsein besitzen muß, um sie wirklich zu besitzen.“ Das war das utopische Denken von Marx Mitte des 19. Jahrhunderts. Auf den Trümmern dessen hocken wir heute. Und von Bewusstsein keine Spur.
Es ist übrigens interessant, dass eben die, die diesen Traum von einer Sache, der natürlich der Traum von der sozialistischen Gesellschaft bzw. von der Revolution und der darauf folgenden gerechten Gesellschaft überhaupt ist, verwirklichen wollten, nicht nur das Bewusstsein von der Sache nicht befördert sondern auch den Traum zerstört haben. Wir sind also hinter den Zustand zurückgefallen, den Marx meint.
Er selbst hatte bereits davor gewarnt, denn er begriff durchaus sehr genau, dass man den Menschen diese Sache nicht aufzwingen könne und dürfe. Er verlangte, dass die sozialistische Bewegung „nicht doktrinär“ sein und den Menschen nicht zurufen dürfe „Hier ist die Wahrheit, hier kniee nieder!“, doch genau das hat man natürlich getan.
Okay, das ist so in etwa der Hintergrund des kleinen Wörtchens ’sogno‘. Aber das muss man natürlich nicht wissen. Ich notiere es nur, weil Du gefragt hast.
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Und jetzt setze ich es hierher, weil diese Erklärung vielleicht ja auch anderen Lesern hilfreich sein könnte.