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Name der Rose + die Bamberger Elegien

09. Juni - Wiesbaden - Gounod: Romeo & Juliette

Ganz erstaunlich, ich finde meine gelinde Abneigung gegen die französisches Oper leider wieder bestätigt. Gounods ‚Romeo & Juliette‘ ist eine seltsame Mischung aus Gefälligkeit, Undramatik und sprachlichem Wohlklang. Gerade höre ich den Kampf zwischen Romeo und Tybalt, bei dem Tybalt stirbt. Das ist ja wahrlich eine der Schlüsselszenen und an Dramatik kaum zu überbieten, aber was Gounod daraus gemacht hat, das kann man nur als behäbig bezeichnen. Schade. Ich werde mir das zwar trotzdem bis zum Ende anhören, aber es wird wohl nicht besser werden.

Bei Hoffmans Erzählungen, um eine andere französischsprachige Oper zu nennen, geht es mir selbstverständlich ganz anders, das ist eine meine Lieblinge, und ich bedaure es nach Jahren immer noch, dass ich >>>>  Andreas Baeslers Inszenierung in Hamburg leider nicht habe sehen können. Auf seiner Webseite gibt es  auch keine Bilder mehr dazu, sonst hätte ich damit gern an diese Inszenierung erinnert.

Stattdessen, da ich ja gesucht habe, fand ich in meinem musikalischen Bildarchiv das nachfolgende Foto, das ich wegen der Anweisung des Komponisten „Continue in tempo – ignoring conductor“ aufbewahrt habe. Natürlich ist das auch ein Witz, aber andererseits muss man die Tragik empfinden können, die darin liegt, wenn der Komponist schon voraussieht, welche Fehler die Dirigenten unweigerlich machen werden. Sodass er dem bereits in der Partitur mit solchen Hinweisen zu begegnen versucht.

Den größten Teil des Tages arbeitete ich am Lektorat eines Manuskriptes, das mich nur langsam vorwärts kommen ließ. Es gibt solch zähe Texte. Ich hoffe trotzdem, ihn in den nächsten Tagen abschließen und an den Autor retournieren zu können.

Inzwischen ist für den Samstag meine Fahrt nach Naumburg gebucht, sodass ich also mit fast einer Woche Verspätung zur >>>>   Premiere von „Der Name der Rose“ zurück komme. Es kennzeichnet mein Gefühl dieser kleinen Stadt gegenüber, das ich in den zwei Woche ab dem 14. Mai entwicket habe, in denen ich dort im >>>>  Nietzsche Dokumentationszentrum an meinen Recherchen arbeitete, in Rafaels kleinem Café am Holzmarkt zwischendurch meinen Milchkaffee trank oder abends nach Arbeitsschluss auch mal das großartige ‚Kellerbier‘.

Das Nietzsche Dokumentationszentrum in Naumburg

Im Grunde ist es das erste Mal überhaupt, dass ich sagen kann, ich habe einer Stadt gegenüber sowas wie eine sentimentale Empfindung. Und in der Tat habe ich ja bereits seit dem vergangenen Sonntag wieder dort sein wollen, was die Arbeit hier aber verhindert hat.

Ich habe in der Nacht, nach dem Telefonat gegen 00:30 noch die Premiere der Liebsten von >>>>  „Der Name der Rose“ auf Facebook als Veranstaltung eingestellt, mit allen Spielterminen bis in den September hinein. Und wie immer bei diesen Einladungen hat es bereits die ersten Absagen gegeben. Auch von Andreas übrigens, der selbst Proben hat.

Zuvor werde ich am Donenrstag nach Frankfurt fahren, wo Alban Nikolai Herbst im Mouson Turm aus seinen >>>>  ‚Bamberger Elegien‘ lesen wird. Ich habe meine Fahrt dorthin trotz meines höchst engen Arbeitsplanes zugesagt, da ich ihn unbedingt einmal selbst aus den Elegien lesen hören möchte. Ich hatte ja auf meiner Rückfahrt von Naumburg nach Wiesbaden in meiner eigenen stundenlangen Lesung das Erlebnis, dass der Text in meinem Kopf höchst geschmeidig zu laufen begann und gar nicht mehr aufhören wollte, sodass ich mich anstrengen musste, ihn vollständig in einem Rutsch beenden zu können, bevor ich in Frankfurt ankam und nach der SBahn laufen musste. Der Ton in meinem Kopf ist noch immer da. Mal sehen, wie der Autor klingt. Aber falls sich das irgendwie despektierlich anhören sollte, so sei angefügt, dass ich es keinesfalls so meine.

Ich halte Alban Nikolai Herbst 13 Bamberger Elegien „Das bleibende Thier“ vielmehr für das einzige Stück absoluter Literatur, das es bisher im 21. Jahrhundert überhaupt gibt. Vielleicht muss ich ihm das mal sagen. Es wird ja, verdammt noch mal, bei dieser Situation auf dem versifften literarischen Markt, so viele andere Beispiele absoluter Literatur nicht mehr geben, wenn überhaupt; also sollte man vor dem einzigen Kollegen, der das versucht und geleistet hat, zumindest im Vorübergehen eine Verbeugung machen.

Und dies auch ganz bewusst im Gegensatz zum allgemeinen Betrieb, ja, deshalb überhaupt. Aber es soll uns nicht rühren. Wir leben nun mal in der Zeit, in der wir leben, in einer Zeit, da die Leser von Vampir-Romanen überflutet werden und Nachrichten aus den Feuchtgebieten so lüsternd erwarten, dass sogar über 80jährige männliche Lodenträger, die sonst nur das monatliche Jagdmagazin durchblättern, unbedingt kaufen wollen, um zu sehen, was unter dem Höschen von Frau Roche zu finden ist. Da ist natürlich nichts, aber die Narren schauen trotzdem nach, was bleibt ihnen denn sonst, außer dieser Enttäuschung bei der einzigen Begegnung mit der Literatur, die sie seit Jahrzehnten versucht haben. Verstehen Sie mich Recht, bitte, ich polemisiere hier nicht. Ich referiere in Wirklichkeit ganz schnöde Dinge, die ich selbst erlebt habe. Ich kenne den alten Kerl, der sich aus diesen und ähnlichen Gründen die „Feuchtgebiete“ gekauft hat. Er erzählte mir davon, als er mich in seinem Mercedes zu seiner Villa am Stadtrand von Wiesbaden fuhr, um mir den Auftrag für die Lektorierung seiner Memoiren zu übertragen; er war adelig, da hält man das für unabdingbar.

Aber egal! Die Wahrheit ist, dass dieser Mann mit seiner sauerkrautartigen Prosa, die er als Autobiographie bezeichnet, zumindest noch eine große Besprechung mit Bild in Zeitungen wie dem Wiesbadener Tagblatt oder im Kurier bekommen würde. Er braucht bloß in der Redaktion anzurufen. Sogar ein Interview wird man ihm gönnen. Überhaupt kein Problem.

Aber Alban Nikolai Herbst wird für seine 13 Bamberger Elegien nichts bekommen. Keine einzige Besprechung. Man wird ihn totschweigen, wie man zu seiner Zeit Stefan Mallarmé totgeschwiegen hat. Warum? Na, ganz einfach. Weil er den kleinen Bürgern Angst macht. Er gehört nämlich zur heidnischen Schule! Er weiß, aus eigener körperlicher Erfahrung,  was der Eros ist und bewirkt. Er sagt in seinen Gedichten Schwanz und Möse. Und er sagt zu seinem Sohn „Schau da hin! So sind wir Menschen! Das ist unser thierischer Teil. Und er muss leben. Liebe es!“ sagt er. Und vergiss nicht die Frauen, ohne die wir nicht wären. Ohne die wir nicht träumen könnten.“

Und dann die Zumutung der Form! Herbst schreibt nicht irgendwie. Irgendwie schreiben ja alle. Es geht einem ja der Müllkübel auf, wenn man die Sprache zur Kenntnis nehmen muss, in der da alle schreiben. Klar, wir wissen es ja, das ist der Markt. Und Leute wie Denis Scheck machen sich gehörig über diesen ganzen Mist lustig, auf ihren Sendeplätzen nahe Mitternacht, wo ihnen eh keiner mehr zuhört. Da stehen diese Restexemplare dessen, was einmal ein Intellektueller gewesen ist, mit ihren innerhalb von Sekunden abzufertigenden Bücherstapeln da, machen sich über Band 7 von „Beiß mich bis der Arzt kommt“ lustig und schmeißen das Machwerk in den Kübel. Echt witzig, Dennis! Hast Du locker hingekriegt. Du bist ein toller Kerl! Aber erstens ändert das nichts, denn die Leser von „Beiß mich bis …“ kaufen den Schund auch weiterhin hunderttausenfach. Die haben nämlich, als Dennis Scheck den Schrott in den Müll warf, bereits seit anderthalb Stunden damit in den Kissen gelegen.

Und den Blick auf einen Autor wie Alban Herbst hat Herr Scheck damit auch noch nicht gewagt. Wird er auch nicht tun. Obwohl er ihn natürlich kennt. Er weiß schon, warum er das meidet. da kann er nichts gewinnen.

Wird fortgesetzt …. wenn ich zurück bin!

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Peter H. E. Gogolin: Erzähler, Roman-Autor, Stücke- und Drehbuchschreiber, Lyriker