Zurück zum Text: Konzessionen des Herzens
01. Juni 2011 - Wiesbaden - Bob Dylan: The Minnesota Tapes
Bin nun , nachdem ich mich doch weitgehend mit dem Update meines Roman-Schreibprogramms „StoryMill“ auf die Version 4.0 angefreundet habe, spontan wieder in die Schreibarbeit am neuen Roman eingetaucht. Seit Dienstagabend nach dem Coaching arbeite ich an einem neuen Kapitel zu „Die Konzessionen des Herzens“ (Arbeitstitel), mit dem das gesamte Setting des Buches sehr viel vollständiger wird. Zygmunt, mein Erzähler, ist zur Zeit der Handlung des Romans 72 Jahre alt und lebt in einer leichten Zukunft des Jahres 2022. Der Roman spielt innerhalb einer knappen Woche, in der Zygmunt mit seiner Pflegerin Irina in der oberen Etage eines ansonsten weitgehend ausgebrannten 18stöckigen Hochhauses ausharrt und dabei sowohl von seiner Kindheit, seiner Arbeit als Opern-Regisseur und der Geschichte seiner Eltern im deutschen Faschismus erzählt. Vermutlich lebt er und Irina nur noch, weil niemand sich vorstellen kann, dass es im Haus nach dem Brand überhaupt noch Überlebende geben kann. Im Gegensatz zu Irina rechnet Zygmunt aber unbedingt mit seinem Tod in naher Zukunft und erzählt deshalb seine Geschichte – er ist ein geborener Erzähler, allerdings einer, der keine Rücksicht auf Konventionen mehr nimmt, weder auf literarische noch auf gesellschaftliche.
2022 ist eine Zeit des Völkermords in Deutschland. Horden von sogenannten „Sozialen Säuberern“ wandern marodierend durch die Stadtlandschaften, die von den Sicherheitskräften nicht mehr verteidigt werden, und töten vor allem die sozial Deklassierten, die über Jahre in sogenannte „Low Social Areas“ abgedrängt worden sind. Doch wird das Morden schnell wahllos und greift auf andere Teile der Städte über.
Am Dienstag habe ich ein Kapitel begonnen, in dem Zygmunt es erstmals wagt, des Nachts gegen Morgen im Rollstuhl auf den Balkon hinaus zu fahren und auf die vielen zerhackten Leichen hinunter zu sehen, die auf den Straßen liegen. Ich weiß, dass klingt alles ganz fürchterlich, aber ich denke, dass Völkermord/Genozid das größte Problem unserer Gegenwart ist. Es war es natürlich unübersehbar auch bereits im 20. Jahrhundert, aber wir müssen aufhören, es auszublenden und wenn überhaupt anderswo zu verorten. Es ist, wie Goldhagen sagt, „Schlimmer als Krieg“.
Außerdem ist „Die Konzessionen des Herzens“ ein Buch über die Liebe – allerdings über eine Liebe, die zwangsläufig deshalb deformiert wird, weil Gewalt unsere Identität zerstört. Gewalt führt dazu, dass wir nicht mehr wissen, wer wir sind. Und das passiert in meinem Roman auch Jan und Luisa, den Eltern von Zygmunt.
Ja, so weit vielleicht mal; ich bin froh, dass ich wieder dran bin. Es sind zwar nach wie vor eine Menge Recherchen abzuleisten, die ich auch gern mache, aber ich hatte dadurch während der vergangenen Wochen doch etwas das Gefühl, von meinem Text getrennt zu sein.
Nach Naumburg werde ich vermutlich erst wieder direkt zur Premiere von „Der Name der Rose“ reisen, das zeichnet sich inzwischen doch ab. Ich bin jetzt in den beiden anstehenden Lektoraten, doch braucht das seine Zeit. Außerdem kommen gegenwärtig auch weitere Aufträge rein, auf die ich reagieren muss. Die Liebste ist zudem in der Schlussphase ihrer Proben so sehr eingespannt, dass sie eh kaum ansprechbar sein dürfte. Wir haben es noch nicht besprochen, aber ich werde vermutlich erst zur Generalprobe wieder anreisen. Am Abend telefonierten wir, und sie meinte u.a., dass die Aufnahme meiner Stimme für den Prolog und den Epilog des Atson von Melk, der ja der Erzähler der Geschichte ist, sehr schön markant komme. In dieser Woche waren u.a. auch technische und Tonproben dran. Zudem hoffe ich, dass ihre Entscheidung bezüglich des „Sommernachtstraums“ im nächsten Jahr richtig wahr.