Journal des Montags
30. Mai 2011 - Noch bei Heinrich Schütz: Auferstehungshistorie, SWV 50, Capella Fidicinia unter Hans Grüß, Dresdner Kreuzchor unter Martin Flämig
Die Tage bis zur Premiere von >>>> „Der Name der Rose“ am 11. Juni im Naumburger Marientor werden für mich ebenso eng werden wie für J., denn ich merke schon jetzt, da ich nach meiner Rückkehr gerade mal einen Tag wieder in Wiesbaden gearbeitet habe, dass sich einiges aufgesummt hat. Nicht nur fallen die üblichen Coachings an, es muss auch das Manuskript von Herrn CD fertig lektoriert werden, bis ich wieder nach Naumburg fahren kann. Vielleicht wird es also nicht bis zum Sonntag klappen.
Dabei ist die Erinnerung an meinen Naumburger Arbeitsplatz schon jetzt, nach nur einem Tag Abwesenheit, bereits zu einer Sehnsucht geworden, der unbedingt nachgegangen werden muss. Die Arbeit dort war doch sehr intensiv. Im Vergleich damit begegnet mir die Arbeit hier in Wiesbaden regelrecht zerrissen und auch weniger effektiv. Außerdem war bereits beim Erwachen am Morgen ein ganz gravierender Unterschied zur Naumburger Burgstraße deutlich, in der ich in den vergangenen zwei Wochen bei der Liebsten wohnte. Ich wurde nämlich wie hier in unserer Siedlung üblich durch das Geräusch der Laubsauger, Heckenscheren und Rasenmäher geweckt, das den ganzen Tag anhielt. Es ist, als sei dieser permanente ruhestörende Lärm so etwas wie der Beweis, dass die Anwohner sich Gärtner leisten können. Was für eine geradezu unglaubliche Ruhe hat, verglichen mit diesem Unfug, meine gerade beendeten zwei Wochen in Naumburg erfüllt.
Die knapp 50 Minuten der Schützschen „Auferstehungshistorie“, bei der u.a. Peter Schreier gesungen hat, reichten nicht für diese Tagesnotiz. Ich habe deshalb noch zu den „Cantiones Sacrae 1625“ ins CD-Laufwerk geschoben. Vielleicht ist es nötig anzumerken, dass meine gestern begonnene Fixierung auf Schütz sich dem „Zufall“ verdankt, dass die Liebste und ich in Weißenfels nach dem Besuch bei Novalis sein >>>> Wohnhaus fanden und bis zur Schließung einige Stunden mit seiner Musik und alten Instrumenten verbrachten. Ich kaufte dabei einen Haufen CDs bis mein Geldbeutel leer war. Neben einer Box mit 10 CDs, die der Dresdner Kreuzchor aufgenommen hatte und die die Psalmen Davids enthält, die Auferstehungshistorie, die Cantiones sacrae I und II, die Kleinen geistlichen Konzerte, die Geistliche Chormusik I und II, sowie die 3 Passionen, also die Matthäus, Lukas und Johannes-Passion. Aus den 3 Büchern der „Symphoniae Sacrae“ konnte ich die 2 CDs mit den „Symphoniae Sacrae III“ erstehen, die unter Konrad Junghänel vom Cantus Cölln und dem Concerto Palatino eingespielt worden sind. Außerdem die CD, die die Chapelle Rhénane von den „Symphoniae Sacrae II“ gemacht hat. Allerdings handelt es sich bei dieser Aufnahme nur um eine Auswahl – extraits du deuxième Livre (1647) -, nach der vollständigen Aufnahme, so sie überhaupt existiert, werde ich also ebenso suchen müssen, wie nach dem ersten Buch, den „Symphoniae Sacrae I“. Ich kaufte zudem die 2 CDs des „Schwanengesangs“, des „Opus ultimum“. Dies Werk rührt mich ganz besonders. Ich setze deshalb den erklärenden Text vom CD-Cover hierher. Die Einspielung ist übrigens durch das Collegium Vocale Gent und dem Concerto Palatino unter Philippe Herreweghe erfolgt.
Zu Heinrich Schütz‘ „Schwanengesang“ heißt es auf der Doppel-CD: „In den frühen 1660er Jahren begann Schütz, mittlerweile dem verblaßten Glanz des Dresdner Hofes zugerechnet, sich mit dem Gedanken an den eigenen Tod vertraut zu machen – er hatte die 75 bereits überschritten. So machte er sich daran, die 176 Verse des berühmten Psalms 119 zu vertonen, ohne mit einer Aufführung zu rechnen: Sein Schwanengesang war vielmehr für die Ewigkeit gedacht. Zehn Jahre später hatte dieses ‚Opus ultimum‘ die Form von elf doppelchörigen Motetten angenommen. Doch gingen die Manuskripte verloren, und so sollte es drei Jahrhunderte dauern, bevor die Werke rekonstruiert – und schließlich auch gesungen – wurden.“ (Hervorhebung von mir.)
Es gibt auf der amazon-Seite zu dieser Doppel-CD eine einzige Kritik, die aber sehr gut und treffend ist und die ich zu lesen empfehle, so sich jemand für Heinrich Schütz und sein großes letztes Werk interessieren sollte; so viele werden es nicht sein.
Nun, nehmen Sie Schütz ansonsten als Abschweifung. Letztlich entstand sie aus dem Bedürfnis zu erklären, dass ich während meiner Naumburger Wochen die Durchmusterung der Verdi-Opern nicht mehr durchführen konnte. Es wäre letztlich auch unpassend gewesen, denn ich habe die Zeit in Naumburg u.a auf den Spuren Adrian Leverkühns und Nietzsches verbracht, also Thomas Manns „Dr. Faustus“ sowie Biographisches über den armen Fritz lesend, in dessen Mutter-Haus ich mich aufhielt. Verdi wäre dem Fritz zu wünschen gewesen, für sein ganzes Leben, der Wagner ist es leider geworden. Mich hat aus diesem Grunde die handschriftliche Widmung sehr gerührt, die eine Gruppe von Berliner Philosophen auf einem kleinen aus Nizza mitgebrachten Kieselstein hinterlassen hat, den wir in Röcken hinter der Kirche auf der Grabplatte Nietzsches vorfanden.
„Nur Schritt für Schritt – das ist kein Leben,“ heißt es da, „stets Bein vor Bein macht deutsch und schwer. Ich hieß den Wind mich aufwärts heben, – nach Süden flog ich übers Meer. — Vernunft! Verdrießliches Geschäfte! Das bringt uns allzubald ans Ziel! Im Fliegen lernt ich, was mich äffte – schon fühl ich Mut und Blut und Säfte zu neuem Leben, neuem Spiel. —- Vom Strande unter dem Himmel NIZZAS, wo „der Fritz“ Heilung suchte vom unmenschlichen Klima Röckens, Naumburgs und Bayreuths, wurde dieser Stein hierher gelegt von Berliner Philosophen … (es folgen auf der Rückseite die Namen).“