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In allem steckt die Zeit

Sitze noch bei Glucks „Ezio“, um mich nach dem Tag etwas zu sammeln und auch einige Eindrücke vor dem Verschwinden zu bewahren. Da ich die Gluck Oper über das Internetradio höre und dort die ausgestrahlten Werke notorisch schlecht dokumentiert sind, so weiß ich leider nicht, ob ich den „Ezio“ in der ersten oder der zweiten Fassung höre, sprich in der Prager Fassung von 1750 oder der Wiener Fassung von 1763. Warum bewegt mich das?

Das Interview für das Wiesbadener Tagblatt mit Frau B.-P. begann pünktlich um 11:00 Uhr, musste dann aber erstmal für den Fototermin unterbrochen werden. Der Fotograf war der typische Tageszeitungsfotograf, will sagen, ein Fotograf auf dem Durchflug. Er kam später, weil er vorher noch irgendwas anderes zu fotografieren hatte, und er verließ uns gewissermaßen im halben Laufschritt vier Minuten danach bereits wieder, da irgendwo von irgendeinem Denkmal das Laken zur Einweihung fallen würde. Und wenn er dieses Laken nicht genau im Moment des Fallens würde knippsen können, dann … ja, was dann? Ob er es weiß? Nun, wie auch immer, wir setzten danach das Interview fort, ich erzählte über das Buch und seine Entstehung, Frau B.-P. schrieb, fragte und schrieb, und dann war auch bereits etwas mehr als eine Stunde vergangen, sodass alles Notwendige gesagt war. Schaun wir also mal, was draus wird.

Am Nachmittag schrieb mir dann >>>>  Bettina Römer, die Schauspielerin, die so wunderbar meine Texte für das Hörbuch >>>>  „Der Schatten Gottes“, einer Sammlung von phantastischen Erzählungen, einliest, dass Sie zwei weitere Texte aufgenommen habe. „… meine zwei weiteren Lieblinge sind eingelesen: „Don`t throw books“ und „Psychologie, die der Beruf bedingt“ :))) Dies zu lesen, hat mich sehr gefreut, denn ich bin mit Ihrer Stimme tatsächlich äußerst zufrieden. Wenn man bedenkt, was für seltsame Leseergebnisse es mit den männlichen Sprechern zuvor bei der Aufnahme des Romans gegeben hatte; ach, nicht gedacht soll ihrer werden. Bin gespannt, was das Hörbuch für einen Eindruck machen wird, wenn Bettina alle Geschichten beisammen hat.

Am Abend dann saß ich über meinen Notaten, die ich in meinem Taschenblock auf der Fahrt nach Leipzig festgehalten hatte, und ich wurde mir bewusst, wie sehr das Vergehen der Zeit alles durchtränkt. Ich könnte schon allein die Jahre nicht mehr erfassen und korrekt zusammenrechnen, die es gebraucht hat, um die Erzählsammlung fertig zu machen, die Bettina gerade einliest. Und wenn ich bedenke, dass zwischen meinem neuen Roman >>>>  „Calvinos Hotel“ und seinem Vorgänger „Kinder der Bosheit“ viele Jahre liegen, dann wird mir schwindlig.

„Niemand kommt nach so langer Zeit zurück“, hatte die Liebste zu mir am vergangenen Donnerstag, schon im Auto, während sie mich zum Bahnhof fuhr, gesagt. „Niemand kommt zurück. Aber du kommst zurück! Denk daran!

Ich bin also sowas wie ein Geburtstagsjunge. Nach langen Jahren wieder Geburtstag. Jedoch kann ich mich kaum darüber freuen, was wohl auch bemerkt worden ist. Nun, vielleicht wird das anders werden, wenn auch die übrigen Romane, die ich in der Zwischenzeit verfasst habe, veröffentlich sind. Möglich, dass sich dann das Gefühl einstellt, wieder mit mir selbst auf einer Höhe zu liegen, gleichzeitig zu sein, gewissermaßen.

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Peter H. E. Gogolin: Erzähler, Roman-Autor, Stücke- und Drehbuchschreiber, Lyriker